CfA: “Eva, auf Wiedersehen!” – Zur Geschichte, Verhandlung und Einordnung der Wolfenstein-Spielereihe
Seit fast 40 Jahren ist die Computer-und Videospiel-Serie Wolfenstein bereits auf dem Markt. Die populäre Shooter-Reihe hat sich damit als eine der langlebigsten weltweit etabliert: Die über zehn Fortsetzungen des ursprünglichen Spiels Castle Wolfenstein aus dem Jahre 1981 erschienen auf über 20 verschiedenen Spieleplattformen.
In Deutschland war die Situation rund um die Reihe stets eine besondere: Obgleich Wolfenstein 3D 1994 wegen der Verwendung verfassungswidriger Symbole bundesweit beschlagnahmt wurde und somit sowohl Vertrieb als auch Verbreitung in Deutschland verboten waren, blieben die Spiele ein Thema: Zusammen mit den Titeln Doom und Quake bildet Wolfenstein bis heute die Trias einer bundesdeutschen Shooter-Sozialisation (vgl. Inderst 2016).
Erst Ende 2019 reagierte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) auf die 25-jährige, mitunter äußerst leidenschaftlich geführte Diskussion zwischen Spieler*innen, Spielepresse sowie Medienpädagog*innen bzw. Elternverbänden und nahm Wolfenstein 3D vom Index. Zuvor hatte das Amtsgericht München bereits die Beschlagnahme des Titels aufgehoben, was den Vertrieb des Spiels in Deutschland unter Strafe gestellt hatte.
Akademische Vorarbeit
Mittlerweile haben zahlreiche Publikationen gezeigt, dass eine kritische und textnahe Spiel-Lektüre ausgewählter Einzelbeispiele die Game Studies in vielfältiger Weise bereichern kann. Dies gilt in besonderem Maße für mehrere deutschsprachige und internationale Spieleforschungsbände, etwa zu Silent Hill (Neitzel/Bopp/Nohr 2006), Portal (Hensel/Neitzel/Nohr 2015), Call of Duty (Garrelts 2017) oder Dark Souls, Demon’s Souls und Bloodborne (Inderst/Wagner/Zurschmitten 2019), die eine Betrachtung einzelner Spiele aus unterschiedlichen disziplinären und methodischen Blickwinkeln vornehmen. Sie gelangen dadurch nicht nur zu vielstimmigen und faszinierenden Interpretationen, sondern veranschaulichen zudem auf treffliche Weise die Gültigkeit der mittlerweile breit vertretene These, wonach Computer- und Videospiele als hybride mediale Artefakte zu verstehen sind, die multiperspektivische Zugänge herausfordern, wenn nicht sogar bedingen (u.a. Bogost 2009; Games Coop 2012; Beil 2013, S. 79).
International hat die Wolfenstein-Reihe spätestens mit Bethesda Software und MachineGames’ Reboot Wolfenstein: The New Order und den Nachfolgern The Old Blood, The New Colossus und Youngblood akademische Beachtung erfahren. Als internationaler Vorreiter ist hier das Online-Journal Bullet Points Monthly, die mit ihrer Themenausgabe zu Wolfenstein: The New Order und Youngblood (vgl. Dalbey 2019 (1) und (2), Hester 2019, McCarter 2019, Smith 2019) wichtige Arbeit geleistet haben. Betrachtungen von Teilen der Spieleserie vor The New Order beschränkten sich zumeist auf die spielmechanischen Grundsätze, die gerade von Wolfenstein 3D etabliert und von nachfolgenden First Person-Spielen wie Doom und Quake raffiniert wurden.
Im deutschsprachigen Raum wird die Behandlung der Wolfenstein-Reihe bisher vor allem (kultur- und spiele-)journalistisch vorgenommen. Erste historische Einordnungen haben hier jedoch beispielsweise der Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele (vgl. etwa AKGWDS 2019) vorgenommen. Als Forschungsobjekt der Ludolinguistik haben sich MachineGames’ Wolfenstein-Iterationen wie keine andere Serie an digitalen Spielen etabliert (vgl. Wagner 2019 (1) und (2) sowie noch unveröffentlicht).
Themenvorschläge & Rahmeninformationen
Beispiele für mögliche Beiträge umfassen, sind jedoch nicht beschränkt auf:
- Faschistisch oder antifaschistisch? – Wolfenstein und die deutsche Debatte zum Aussparen von NS-Referenzen
- Traditionell-toxisch? Gender- und Identitätsbilder in Wolfenstein
- Hat Hitler doch gewonnen? Alternative Geschichtsschreibung und Wolfenstein
- Das dritte Reich als Antagonist: kleinster gemeinsamer Nenner des Bösen
- Nazizombies und jüdische Sekten: das Übernatürliche in Wolfenstein
- Pseudo-deutsche Namen und Ausrufe als Evokation historischer Stereotype in anglophonen Zielgruppen
- Neue “ludische Führerstädte” – Wolfensteins urbane Architektur
Der Sammelband soll im Fachverlag Werner Hülsbusch Ende 2021 erscheinen.
Wir bitten um die Einreichung von Abstracts mit einem Umfang von bis zu 400 Wörtern bis 17. Mai 2020 an folgende E-Mail-Adresse WolfensteinSammelband@gmail.com. Die Abgabefrist für die fertigen Artikel mit einem Umfang von 3500 bis zu 5500 Wörtern ist am 31. Oktober 2020.
Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir keine Autor*innenkollektive, also Einsendungen mit mehr als zwei Autor*innen, akzeptieren können.
Für alle weiteren Fragen stehen wir gerne hier bereit:
WolfensteinSammelband@gmail.com
Ihre Herausgeber*innen
Rudolf Inderst
Pascal Wagner
Aurelia Brandenburg
Informationen zu den Herausgeber*innen
Aurelia Brandenburg hat einen Bachelor in Geschichte und Digital Humanities und steckt in den letzten Zügen ihres Masters in Cultural Landscapes mit ihrer Masterarbeit über mittelalterliche Burgen und Big Historical Data an der Universität Würzburg. Sie bloggt seit einigen Jahren kulturkritisch über Digitale Spiele auf ihrem eigenen Blog geekgefluester.de und ist außerdem Redakteurin bei languageatplay.de. Auf Twitter ist sie als @hekabeohnename zu finden.
Rudolf Inderst (*1978) studierte Politische Wissenschaften, Neuere und Neueste Geschichte sowie Amerikanische Kulturgeschichte in München und Kopenhagen. Nach seinem Magister 2005 promovierte er sich über Vergemeinschaftungsprozesse in MMORPGs. 2019 beendete er seine zweite Dissertation an der Universität Passau zur Darstellung von Wissenschaft in digitalen Spielen, leitet seit 2013 das Ressort „Games“ des Kulturjournals nahaufnahmen.ch und arbeitet als Lehrbeauftragter mit Schwerpunkt Game Studies an verschiedene Hochschulen. Auf Twitter & XBL ist er als @benflavor zu finden.
Pascal Wagner hat einen M.A. in kultureller und kognitiver Linguistik sowie einen B.A. in Anglistik und Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München absolviert. Seine Masterarbeit “Faia, Fira, Feuga: Kulturübergreifende Benennungsverfahren von Kunstworten in digitalen Spielen” ist im Verlag Werner Hülsbusch erschienen. Er ist Gründer des Game Studies- und Wissenschaftskommunikations-Blogs languageatplay.de und Chefredakteur des Printmagazins für Videospielkultur GAIN – Games Inside. Auf Twitter ist er als @indieflock zu finden.
Bibliographie
Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele (AKGWDS). 2019. Wider die Selbstzensur. Gespielt.hypotheses.org. <https://gespielt.hypotheses.org/1449>
Bogost, Ian 2009. Videogames are a Mess. Präsentiert an: Breaking New Ground: Innovation in Games, Play, Practice and Theory. DiGRA Conference 09 (01.09.2009), Uxbridge.
Dalbey, Alex. 2019 (1). The Failure of Caricature in Wolfenstein II. Bullet Points Monthly. <https://bulletpointsmonthly.com/2019/05/02/the-failure-of-caricature-in-wolfenstein-ii>
Dalbey, Alex. 2019 (2). Imitating Family. Bullet Points Monthly. <https://bulletpointsmonthly.com/2019/08/08/imitating-family>
Garrelts, Nate (Hrsg.) 2017. Responding to Call of Duty. Critical Essays on the Game Franchise. Jefferson, North Carolina: McFarland & Company, Inc., Publishers.
Hensel, Thomas; Neitzel, Britta; Nohr, Rolf F. (Hrsg.) 2015. “The cake is a lie!”. Polyperspektivische Betrachtungen des Computerspiels am Beispiel von “Portal”. Münster, Berlin: LIT.
Hester, Blake. 2019. Faceless Murderers. Bullet Points Monthly. <https://bulletpointsmonthly.com/2019/08/08/faceless-murderers>
Inderst, Rudolf; Wagner, Pascal; Zurschmitten, Christof. 2019. Prepare to Die: Interdisziplinäre Perspektiven auf Demon’s Souls, Dark Souls und Bloodborne. Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch.
Inderst, Rudolf: „They’re rewriting history. But they forgot about me.“ Wolfenstein: The New Order als spielerischer Weiterführung dystopischer Erzähltraditionen. S.248-266. In: Martin Hennig, Hans Krah (Hg.): Spielzeichen. Theorien, Analysen und Kontexte des zeitgenössischen Computerspiels. Glückstadt, 2016.
McCarter, Reid. 2019. Killing Nuance. Bullet Points Monthly.
<https://bulletpointsmonthly.com/2019/08/08/killing-nuance>
Neitzel, Britta; Bopp, Matthias; Nohr, Rolf F. (Hrsg.) 2006. ‘See? I’m real…’. Multidisziplinäre Zugänge zum Computerspiel am Beispiel von ‘Silent Hill’. Berlin, Münster, Wien, Zürich, London: LIT.
Smith, Ed. 2019. The Infinite Zeppelin. Bullet Points Monthly. <https://bulletpointsmonthly.com/2019/08/08/the-infinite-zeppelin>
Wagner, Pascal. 2019 (1). Wolfenstein-Nazis, linguistisch erklärt, Teil 1: Wehrmacht-Soldaten. Language at Play. <https://languageatplay.de/2019/11/18/wolfenstein-youngblood-nazis-linguistisch-erklaert-teil-1-wehrmacht-soldaten/>
Wagner, Pascal. 2019 (2). Wolfenstein-Nazis, linguistisch erklärt, Part 2: Reichs-Kapitalismus. Language at Play.
Wagner, Pascal. (noch unveröffentlicht). Cultural Landscaping der Evas Hammer in Wolfenstein II: The New Colossus: Gelebter Raum im digitalen Spiel.
3 Antworten
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