So spricht der Spielejournalismus
Der Spielejournalismus spricht über Computerspiele – soweit klar. Doch über welche Spiele spricht er? Wie spricht er über diese Spiele? Und wen spricht er damit an? Pascal Wagner und Benjamin Strobel haben 120 Spielekritiken aus Fachmedien, Spieleblogs und dem Feuilleton linguistisch analysiert, um diesen Fragen nachzugehen. Eine Bestandsaufnahme.
Den ‘einen’ Spielejournalismus gibt es nicht. Und wenn man ihn benennen sollte, denkt man vermutlich an die ausgeklügelten Punktetafeln und eine lange Tradition des Produkttests in den Special-Interest-Medien. Mittlerweile wird an vielen Orten – auch journalistisch – über Spiele gesprochen. Das Meer der Medienproduktionen spült nicht nur neue Wellen an Video-Analysen und Podcasts zu digitalen Spielen ans Ufer, sondern treibt mit hoher Regelmäßigkeit noch immer eine große Bandbreite von schriftlichen Publikationen an die Küste interessierter Leser*innen. Ein Großteil der klassischen Printmagazine wurde von neueren Medien längst aus der Ursuppe gelöffelt, doch einige haben früh genug über den Tellerrand geblickt und den Sprung in den Online-Journalismus gemacht. Daneben haben sich zunehmend weitere Formate etabliert: Auf der einen Seite gibt es eine lebendige Blogkultur mit nichtkommerzieller Spielekritik, auf der anderen Seite haben Games-Themen Einzug ins Feuilleton der großen General-Interest-Medien gehalten.
Wir haben Fragen
Fachmedien, Blogs und das Feuilleton kommen aus ganz unterschiedlichen Traditionen. Die heutigen Online-Fachmedien haben ihren Ursprung in den Computerzeitschriften der 1980er Jahre. Spielethemen lösten sich von den Computerthemen schließlich in eigene Hefte ab – und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute als Online-Medium.
Parallel zu dieser Entwicklung hat sich aber auch ein Laien-Journalismus herausgebildet. Als die 2000er mit den Technologien des Web 2.0 ein neues Tor in eine digitalisierte Welt aufstießen, sanken die Hürden für Partizipation – jede und jeder kann seitdem online publizieren. Die meisten solcher Blogs zum Thema Gaming sind nicht kommerziell und werden als Hobby-Projekte betrieben.
Das Feuilleton der breit aufgestellten General-Interest-Medien kommt wiederum aus einer Tradition von Literatur- und Filmkritik. Erst seit Kurzem hat das Feuilleton begonnen, Games für sich zu entdecken. Wer aber dort stöbert, liest nicht unbedingt die Fachmedien zu digitalen Spielen. So unterscheiden sich auch die Zielgruppen zum Teil deutlich voneinander – es liegt deshalb nahe, dass sich die Art und Weise, wie über Spiele gesprochen wird, zwischen den Formaten unterscheidet.
Uns sind bisher keine (linguistischen) Untersuchungen darüber bekannt, die sich mit dem Sprachgebrauch in spielejournalistischen Publikationen befassen. Wir wollten daher wissen, über welche Spiele Games-Medien berichten, wie sie darüber sprechen und wen sie dabei ansprechen. Außerdem haben wir uns dafür interessiert, ob sich die unterschiedlichen Traditionen von Fachpresse, Blogs und Feuilleton darauf auswirken, wie die verschiedenen Medien mit uns über Spiele sprechen.
Die Methode
Zu diesem Zweck haben wir im April 2019 eine Stichprobe von N = 120 Spiele-Rezensionen gezogen und daraus einen Textkorpus gebildet. Der Pool bestand aus je 5 Online-Medien pro Gruppe (Fachmedium, Blog, Feuilleton) und den jeweils 8 aktuellsten Rezensionen pro Medium. Berichte über Spiele-Remaster und Remakes haben wir ausgeschlossen, da die entsprechenden Texte deutlich kürzer waren als typische Rezensionen. Bei den ausgewählten Medien handelte es sich jeweils um Kollektive von Schreibenden, damit die Auswahl des Mediums nicht mit dem individuellen Schreibstil von Einzelautor*innen vermischt war.
Worüber spricht der Spielejournalismus?
Vor der sprachwissenschaftlichen Einordnung haben wir uns mit den Gegenständen der Texte beschäftigt: den Videospielen. Spiele, die während oder vor dem betrachteten Zeitraum veröffentlicht wurden, finden sich öfter in den Rezensionen als ältere Titel, ganz klar. Aber wie teilen sich die Spiele in größere und kleinere auf, und welche Spiele welcher Genres werden besonders gerne besprochen?
Genres
Im Zuge der nicht-linguistischen Auswertung der Texte haben wir die besprochenen Spiele zunächst verschiedenen Gruppen zugeordnet. Wohlwissend, dass der Genrebegriff nicht scharf ist, haben wir eine Zuordnung zu gängigen Spielegenres vorgenommen, um zu ermitteln, welche Gattungen besonders oft besprochen werden. Mit 24% aller Texte waren das vor allem Shooter wie Battlefield V und Anthem. Auf Platz zwei folgen Action-Adventures mit 23%, eine wenig aussagekräftige Sammelkategorie, in die sowohl das zum Zeitpunkt der Datenerhebung frisch erschienene Sekiro: Shadows Die Twice als auch das neu auf der Switch veröffentlichte Top-Down-Adventure Hyper Light Drifter fallen. Interessanter wird es auf dem dritten Platz: 9% aller Texte beschäftigen sich mit Strategiespielen, einer Spielegattung, die gemeinhin als sehr ‘deutsch’ gilt. Anno 1800 und Tropico 6, beide damals frisch veröffentlicht, werden hier besonders oft besprochen.
Indie VS AAA
Um weiter zu differenzieren, welche Arten von Spielen besprochen werden, haben wir sie den Gruppen Indie, AAA und AA zugeordnet. Die Einteilung erfolgte nach den Produktionsverhältnissen und einer groben Kostenrechnung: Unabhängig veröffentlichte Spiele oder solche, die mithilfe eines Indie-Publishers wie Devolver Digital auf den Markt kamen, haben wir als Indie-Spiele klassifiziert, Produktionen von etablierten Großpublishern mit signifikantem Budget als AAA-Titel. Spiele, die sich in einer nicht komplett abgrenzbaren Grauzone dazwischen befanden, bezeichnen wir als AA. Dazu zählen Kleinproduktionen von Großpublishern und Titel mit mittelgroßem Budget, aber ohne die Unterstützung von großen Publishern.
Wie die Auswertung zeigt, hatten Kritiken zu AAA-Produktionen mit etwa zwei Dritteln (62,5%) den größten Anteil. Immerhin fast ein Fünftel (19,2%) der Texte verhandelten die Güte von Indie-Spielen. Ähnlich viele Texte (18,3%) befassten sich mit solchen Titeln, die wir als AA klassifiziert haben.
Wie spricht der Spielejournalismus?
Die Frage, auf welche Arten und mit welchen Qualitäten über Spiele gesprochen wird, ist aufgrund ihrer Offenheit und immensen Breite eine der komplexesten. Wir möchten jedoch schlaglichtartig ein paar ausgewählte Aspekte aus diesem Bereich darstellen.
Zunächst betrachten wir die Makrostruktur der Texte und gehen dann auf einzelne Aspekte genauer ein.
Präsentation des Textes
Eine aussagekräftige Meta-Information stellt die Anzahl der Seiten (Webpages) dar, auf die die einzelnen Artikel aufgeteilt sind. Während alle Blogs ihre Artikel auf einer einzigen Seite präsentieren, erfordern mehrere der Fachmedien und Feuilleton-Artikel das Weiterklicken von Seiten. Drei der Feuilletonmedien und zwei Fachmedien nutzen im Schnitt etwa zwei Seiten für ihre Texte: Meist eine mit dem Großteil des Artikels und eine zweite mit einigen abschließenden Sätzen, einem Fazit und einem Wertungskasten. Deutliche Ausreißer stellen zwei der großen Fachmedien dar: Mit durchschnittlich 3,4 Seiten bei der einen und 4,1 bei der anderen Seite müssen Leser*innen hier deutlich öfter klicken. Der längste Text des zweiten Fachmediums, zu Sekiro: Shadows Die Twice, nimmt geschlagene zehn Seiten in Anspruch. Die beiden längsten Texte des ersten Mediums zu Anno 1800 und Tropico 6 nutzen fünf beziehungsweise sechs Seiten.
Diese beiden Fachmedien sind ebenfalls die einzigen, die die Option, ihre Texte auf einer Seite zu lesen, anbieten – als Extrafunktion für zahlende Abonnent*innen. Die Aufteilung in mehrere Seiten scheint besonders finanzielle Gründe zu haben: Beide Webseiten fallen nämlich desweiteren besonders durch ihr starkes Werbeplacement auf. Über, unter und neben jeder Textseite sowie oft auch in kleineren Kästen innerhalb des Fließtextes findet sich Werbung für aktuelle Spieleveröffentlichungen. Durch die Aufteilung auf mehrere Pages zwingen die Webseiten Leser*innen, auch die Werbeblöcke neu zu laden und erhalten somit die bis zu vierfache Finanzierung gegenüber Textwiedergabe auf nur einer Seite. Diese Teilung stellt allerdings auch Arbeit dar. Ein sauber getrennter Absatz im Text, der genug Fragen offen lässt, um zum Weiterblättern zu animieren, muss von der Redaktion gut abgestimmt sein. Diese zusätzliche Arbeit könnte erklären, warum Blogs, die meist aus einigen Hobby-Autor*innen bestehen, solche Methoden nicht zur Finanzierung einsetzen wollen oder können.
Suchtgefahr
Computerspielabhängigkeit wird in der psychologischen Fachwelt mittlerweile umfassend diskutiert – und ist seit kurzem sogar als Diagnose in das internationale Klassifikationssystem von Krankheiten aufgenommen. In den Medien ist immer wieder von Fortnite-Sucht die Rede. Traditionell aber war das Verhältnis des Spielejournalismus zum Suchtbegriff nicht nur unkritisch, sondern geradezu positiv: macht ein Spiel süchtig, so galt das als Qualitätsmerkmal. Der Beitrag “Diese 13 Handy-Spiele machen dich süchtig” von watson.com ist nicht etwa eine Warnung, sondern eine Kaufempfehlung. Auch auf Gamestar.de wurden noch vor wenigen Jahren Spiele angepriesen, weil sie “süchtig” machen. Auf dieser Grundlage haben wir angenommen, dass wir vor allem in den Fachmedien eine Bewertung des “Suchtpotenzials” vorfinden. Die Liste unserer Suchbegriffe enthielt unter anderem die Terme “Sucht”, “süchtig” und “Krankheit”.
Tatsächlich haben wir nur eine Formulierung aus diesem semantischen Raum in unserem Korpus gefunden: “Eine Krankheit, von der man sich nicht heilen lassen möchte” sei The Division 2, so der Autor eines Fachmediums. Mittlerweile scheinen die Fachmedien, womöglich auch durch die anhaltende Berichterstattung zu Computerspielabhängigkeit, für den Suchtbegriff stärker sensibilisiert zu sein. Ein aktuellerer Beitrag auf Gamepro.de setzt den Begriff beispielsweise in Anführungszeichen.
Zeter und Mordio?
Dass Videospiel-Communitys und deren Kommunikation untereinander sowie mit marginalisierten Gruppen von Beleidigungen und Diskriminierung durchzogen sein können, ist ein offenes Geheimnis. Insofern war für uns die Frage interessant, ob sich eine ähnliche Verrohung auch im Wortschatz der Autor*innen wiederfinden lässt: Ist die Sprache, mit der über Videospiele gesprochen wird, eben “einfach gröber” als bei anderen Kulturthemen? Erleichtert konnten wir feststellen, dass dem nicht so ist: Geflucht und geschimpft wird in den untersuchten Texten überraschend wenig. Fünfmal wird in Blogs über “Scheiß” geflucht, “fick” oder “fuck” wird drei Mal ausgerufen, die Fachpresse beschwert sich einmal über “Käse” und einmal über einen “Arsch”. Der Feuilleton bleibt in Sachen Unflätigkeiten vornehm außen vor.
Mit wem spricht der Spielejournalismus?
Wenn über den Spielejournalismus geredet, diskutiert oder auch gelästert wird, dann konzentrieren sich die meisten Argumente darauf, mit welchen Inhalten sich ein Artikel befasst und auf welche Art. Wesentlich seltener wird darüber gesprochen, an wen sich spielejournalistische Texte überhaupt richten. Ansprache-Mechanismen sind Teil jener kleinen Sprachbausteine, die wir eher im Kontext ihrer Umgebung verarbeiten denn als Einzelinformation wahrnehmen. Daher neigen wir dazu, sie zu überlesen, egal wie sie geformt sind. Dabei sind Ansprachen unheimlich wichtig, denn sie zeigen an, wen Autor*innen beim Verfassen ihrer Artikel mit einbeziehen in die Gemeinschaft derer, die informiert oder unterhalten werden sollen. Das ist wichtig, da man in der Linguistik davon ausgeht, dass unser Denken zu gewissen Graden von Sprache beeinflusst wird und dieses Denken wiederum unsere Sprache formt (Sprachlicher Relativismus). Über Änderungen der Sprache lassen sich Denkanstöße geben, welche die kognitive Verarbeitung von Informationen verändern, die ihrerseits den Sprachgebrauch verändern. Studien wie diese über Pronomen im Schwedischen zeigen zudem, dass die Verwendung genderneutraler Ausdrücke in der Standardsprache die Einstellung gegenüber Frauen und LBGTQIA-Personen positiv beeinflusst. Vorurteile können so ihre Wirkung verlieren. Wird genderneutrale Sprache in der Folge häufiger genutzt, werden marginalisierte Gruppen beim Lesen und Reden auch häufiger mitgedacht.
Aus der Verwendung genderneutraler Sprache in Texten lassen sich also unter Vorbehalt auch gewisse Schlüsse darüber ziehen, wen jemand beim Schreiben als Zielgruppe im Blick hat und wer bewusst oder unbewusst dabei ausgeklammert wird.
Genderneutrale Ansprache
Trotz der hohen Bedeutung, die gendergerechter Sprache zukommt, zeichnet die Analyse unserer Stichprobe ein ernüchterndes Bild: kein Text aus den Fachmedien und keiner aus dem Feuilleton nutzte genderneutrale Ansprachen. Lediglich in einem Blog-Beitrag fand sich einmalig die Doppelnennung “Spielerinnen und Spieler”.
Unter den Feuilleton-Beiträgen fanden wir zudem ein einzelnes Medium, das neben der männlichen auch die weibliche Form verwendete. Dort entdeckten wir vereinzelt das generische Femininum stellvertretend für alle Geschlechter (“Spielerinnen” beziehungsweise “Entwicklerinnen”). Die Nutzung war jedoch inkonsistent und zumeist auf eine einzelne Nennung im Text beschränkt. Insbesondere die Ansprache von Entwickler*innen ist in allen übrigen Fällen generisch maskulin. Bei Begriffen, die weniger stark durch Gendering-Konventionen im öffentlichen Diskurs geprägt sind, setzte der Gebrauch inklusiver Sprache in den analysierten Texten sogar vollständig aus. So findet sich in einem Feuilleton-Artikel zu Apex Legends die wunderbare Stilblüte “Spielerinnen und Streamer”, die generisches Femininum und Maskulinum mischt. Ob und welche Absicht hinter der ungewöhnlichen Formulierung steht, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Sehr konsequent ist es allerdings nicht.
Das Man, der Mann und die Pronomen
Reichliches Vorkommen haben wir bei den Ansprachen “man” (wie in “man darf, man kann”), der maskulinen Form “der Spieler” und der dritten Person Singular “er” festgestellt. Diese werden jeweils in mindestens 67% der Texte jeder Medienkategorie genutzt. “Man” und “der Spieler” finden sich gar in jedem einzelnen Blogtext. “Er” als Spieler-Ansprache kommt ebenfalls in 97% aller Blogtexte vor. Beidnennungen oder abwechselnde Nennungen der Geschlechter finden sich in unserem 120 Texte starken Korpus lediglich in sieben Texten – davon sechs mal im Feuilleton und einmal in einem Blog. Die überwältigende Mehrheit nutzt damit ausschließlich das undeklarierte, also nicht zuvor als inklusiv klar gestellte, generische Maskulinum. Binnenmajuskel, -sternchen oder -unterstriche konnten wir in keinem der betrachteten Texte finden. Zum Verhältnis haben wir das Gender der Autor*innen anhand deren Namen, Selbstportraits und Eigenbeschreibungen ermittelt. Der Frauenanteil über alle Medien hinweg betrug 11%, zwischen den Medien gab es keine maßgeblichen Unterschiede (Blogs: 9%, Feuilleton: 10%, Fachmedien: 14%). Das Missverhältnis in der Ansprache mit spiegelt sich insofern auch in der Zusammensetzung der Autor*innen wider. Anders verhält es sich hingegen bei den potenziellen Leser*innen: die Hälfte aller Spieler*innen sind nach Angaben des game-Verbandes auch 2019 schon weiblich.
Wenn der Text dir das Du anbietet
Deutlich differenzierter gestaltet sich die Aufteilung der zweiten Person. Das sehr persönliche “Du” wird in 25% aller Fachtexte mindestens einmal verwendet und kommt selten auch im Feuilleton vor. In Blogs, die wir als deutlich informeller eingeschätzt hatten, kam diese Ansprache wider Erwarten überhaupt nicht vor. Das plurale “Ihr” wie in “ihr, die Leser” hingegen findet sich in 70% aller Blog- und Fachtexte, jedoch kein einziges Mal im Games-Feuilleton.
Sie auch hier, Herr Bombardier?
Das formelle Siezen, das wir im Kontext von Spielebesprechungen nicht erwartet hatten, findet sich in beeindruckenden 31% aller Feuilletontexte – und nirgendwo sonst. Das führt zu unserer Meinung nach sehr amüsanten Sätzen, deren eigentlicher Ton sich mit der Formalität der Ansprache beißt. “Sie wollen das Treibstoffdepot der Deutschen mit einer geklauten Stuka zurück in die Steinzeit bombardieren?” fragt etwa ein Battlefield V-Text aus dem Feuilleton.
Trouble mit Technobabble
Wer in die Gruppe der angesprochenen Leser*innen einbezogen wird, hängt nicht nur von Ansprachen und Personalpronomen ab. Auch, welches medienspezifische Vokabular genutzt und wie viel davon für Uneingeweihte erklärt wird, kann Personen ein- oder ausschließen.
Ob Insider-Begriffe genutzt werden, um Aspekte der Spiele zu beschreiben, scheint stark auf die Zielgruppe anzukommen. In Blogs und der Fachpresse scheinen die Autor*innen recht selbstverständlich davon auszugehen, dass ihre Leser*innen mit Begriffen wie “Gameplay”, “Quests” und “Erfahrungspunkten” etwas anzufangen wissen, und nutzen sie ohne weitere Erklärung, um komplexere Sachverhalte innerhalb der Spiele verständlich zu machen. Das Feuilleton hingegen verzichtet beinahe komplett auf Anglizismen und Fachbegriffe. Warum auch nicht, wenn sich diese Spezialbegriffe durch allgemeinverständliche Synonyme wie “Aufgaben” oder “Spielgefühl” ersetzen lassen? Potenziell unverständliches Vokabular wird, wenn doch verwendet, im Umfeld der Nutzung direkt erklärt.
Obwohl dem Feuilleton mitunter nachgesagt wird, verkomplizierte Texte zu schreiben, ist er den Blogs und Fachmedien hinsichtlich der Zugänglichkeit der Texte voraus. Das ergibt Sinn, denn die Feuilletons der großen Tages- oder Wochenzeitungen richten sich nicht nur an Spieler*innen, sondern an ein breites, allgemein interessiertes Publikum. Trotzdem haben Fachmedien und Blogs, dort wo es gleichwertige aber allgemein verständliche Synonyme gibt, in Sachen Zugänglichkeit noch Luft für Verbesserungen.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass die analysierten spielejournalistischen Texte in wesentlichen Aspekten erstaunlich uniform sind. Zwar bieten die Fachmedien uns gern das Du an, während das Feuilleton mitunter höflich siezt, doch damit erschöpft sich die Vielfalt auch schon.
Anders als in vielen Multiplayer-Games wird in Spielekritiken nur selten geschimpft und geflucht – das gilt für das Feuilleton ebenso wie für Fachmedien und Blogs. Erfreulich stellen wir zudem fest, dass Begriffe der Sucht nicht mehr positiv besetzt und verharmlost werden – auch das gilt für alle analysierten Texte. In Sachen Zugänglichkeit und Verständlichkeit können sich die Feuilleton-Texte positiv hervortun: Fachbegriffe werden hier durch verständliche und gleichwertige Synonyme ersetzt oder geeignet erklärt. Aufgrund der engeren Zielgruppen bleibt nachvollziehbar, weshalb Blogs und Fachmedien vermehrt mit technischen Begriffen hantieren. Dennoch könnten Fachbegriffe zugunsten von gleichwertigen und verständlichen Synonymen auch hier noch reduziert werden.
Wenn es darauf ankommt, schenken sich die verschiedenen Medienformen allerdings nichts: Gendergerechte Sprache ist im Spielejournalismus zum Zeitpunkt der Erhebung nicht angekommen. Das generische Maskulinum hat eine fast vollständige Abdeckung – erste Gegenentwürfe scheitern noch an einer konsequenten Umsetzung. Hier liegt das wohl größte Entwicklungspotenzial für die Zukunft: mehr inklusive Sprache in Games-Texten.Denn seit 2019 hat sich ohne Zweifel einiges getan, was die allgemeine Anerkennung von gendergerechter Sprache angeht. Behörden und Universitäten nutzen sie standardmäßig, und auch im Journalismus hat sie Fuß gefasst. Im Gaming-Journalismus sieht es dahingehend 2022 aber auch nicht viel besser aus als zu unserem Untersuchungszeitraum. In aktuellen Stichproben aus den Medien, die wir auch für die Datenerhebung aus 2019 genutzt haben, verwenden alle fünf Feuilletons weiterhin das generische Maskulinum. Das gilt auch bei freien Autor*innen, die in anderen Kontexten gendergerecht schreiben, wir müssen also davon ausgehen, dass es sich beim generischen Maskulinum um eine Vorgabe handelt. Von den fünf Fachmedien, die wir untersucht haben, finden sich 2022 immerhin bei einem einzigen der Genderstern als Mittel der gendergerechten Sprache, wenn auch nicht durchgehend. In Blogs finden wir gendergerechte Sprache immerhin gelegentlich vor – stark abhängig von der jeweiligen Autor*in.
Über die Co-Autoren:
Dr. Benjamin Strobel ist Psychologe und beschäftigt sich mit digitalen Spielen sowie ihrer kulturellen und psychologischen Bedeutung. Sein Interesse gilt den besonderen Merkmalen digitaler Spiele, ihren Gemeinschaftsräumen und den vielfältigen Kulturpraxen rund um Games. Mit Workshops, journalistischen Beiträgen und dem Podcast »Behind the Screens« engagiert er sich für Wissensvermittlung an der Schnittstelle von Psychologie und Games. Twittert unter @GamePsychologe.
Pascal Wagner ist kognitiver & kultureller Linguist, Gaming-Journalist und Gründer von Language at Play.
Eine Antwort
[…] Unter anderem arbeite ich dort die Daten noch einmal auf, die ich mit Benjamin Strobel in einer Datenerhebung, qualitativen und statistischen Analyse über den Game-Journalismus in drei verschiedenen Medienarten erarbeitet […]