Wie kann mehrsprachiges Gaming aussehen?
In meiner Generation erzählen viele davon, dass sie Englisch eigentlich erst richtig durch Medien gelernt haben. Manche haben englischsprachige Bücher verschlungen, andere haben etliche Filme auf Englisch gesehen und wieder andere haben Videospiele auf Englisch gesehen.
Angebot von Filmen und Spielen in verschiedenen Sprachen
Wenn wir an Filme und Serien denken, gibt es heutzutage mit Angeboten wie bei Netflix die Möglichkeit, Zugang zu Material in etlichen Sprachen mit noch mehr verschiedensprachigen Untertiteln zu bekommen. So ist es häufig möglich die Lieblingsserie in einer Sprache, die man gerade lernen möchte, zu sehen. Auch bringt dies häufig die Möglichkeit weit weg von zuhause den neuen Blockbuster in der eigenen Sprache verschlingen zu können.
Bei Videospielen ist es normalerweise auch möglich, die Sprache des Spiels zu wechseln. So erinnere ich mich beispielsweise an viele Installationen von CD-ROMs aus den frühen 00er Jahren, wo ich zwischen zehn bis zwanzig verschiedenen Sprachen auswählen konnte. Gerade bei geschichtslastigen Spielen würde die Lokalisierung und Vertonung in viele Sprachen große Ressourcen benötigen. Deshalb wurde für einige Spiele der Weg gegangen, das Spiel international auf Englisch zu belassen, aber teilweise beispielsweise Untertitel in anderen Sprachen anzubieten.
Videospiele erzählen Geschichten, bringen Hintergründe dazu, warum man gerade eine bestimmte Aufgabe erledigen muss. Spieler*innen wollen verstehen, was genau der Auftrag ist und sind im, für den Publisher, besten Fall auch motiviert, die Hintergrundgeschichte zu verstehen, um eine intensivere Verbindung mit dem Spiel aufbauen zu können. Dies sorgt dafür, dass Spieler*innen dazu motiviert werden, die Sprache, in der sie das Spiel spielen, besser zu verstehen.
Next Level Mehrsprachigkeit: Multiplayer-Spiele und In-Game Kommunikation
Nun gibt es neben der Spracheinstellung eines Spiels auch noch eine weitere Möglichkeit, Mehrsprachigkeit über Spiele zu fördern. Diese Möglichkeit stellt Kommunikation mit anderen Spieler*innen dar. Nehmen wir das Beispiel des MMOs Aion. Das Spiel wird über verschiedene Publisher mit Servern auf diversen Kontinenten an die Spieler*innen gebracht. Entwickelt wird das Spiel in Korea von NCSoft. Von dort aus wird das Spiel auch in andere Regionen geschickt. In Europa ist beispielsweise Gameforge verantwortlich. Gameforge hat aktuell mehrere internationale Server, darunter einen französischen und einen deutschen Server für Aion aktiv. Das führt dazu, dass auf dem französischen Server primär französisch für die Kommunikation zwischen den Spielenden verwendet wird und auf dem deutschen Server primär auf Deutsch kommuniziert wird.
Früher hatte Gameforge mehr Server, u.a. auch einen polnischen, einen spanischen und einen italienischen Server. Mittlerweile haben die Server so viele Spieler*innen verloren, dass Gameforge einige Server zusammenlegen musste. Theoretisch war es schon lange möglich, mit Spielenden der anderen Server zusammenzuspielen. Dies war, soweit ich das beurteilen kann, aber eher die Ausnahme. Heutzutage gibt es in Aion aber Maps, die nicht für jeden Server einzeln existieren, sondern für die die Spielenden aller Server zusammenkommen. Das bedeutet natürlich auch, dass selbst die Spieler*innen von einem eher einsprachigen Server wie dem deutschen oder französischen nun auch auf Spielende der anderen Server treffen. So lassen sich auf diesen Maps nun viele Nachrichten auf Englisch lesen, aber auch französische Beleidigungen ließen sich finden. Von früheren Tests auf internationalen Servern oder auch auf Servern von anderen Publishern habe ich die Erfahrung gemacht, dass Communities, die eine Sprache sprechen, die nicht extra angeboten wird, diese dann eher zwischen den Spielenden der Communities verwenden. Legionen mit Namen aus einer bestimmten Sprache, die mit Texten in dieser Sprache um Mitglieder warben oder die im Gruppenchat einander Sachen erklärten, während man mit der Gruppe sonst Englisch sprach, sind Beispiele hierfür. Dies sind alles Wege, wie man innerhalb eines einzelnen Spiels in den Kontakt mit verschiedenen Sprachen kommen kann.
Kommunikation über ein Spiel: Foren, Blogs und Streams
Ein weiterer Weg, wie sich Gaming mit Mehrsprachigkeit verbinden lässt, ist die Kommunikation über ein Spiel, die außerhalb des Spiels selber stattfindet. Dazu zählen Foren, Blogs, Streams und letztendlich auch Artikel wie dieser. Wenn ein Spiel in verschiedenen Regionen spielbar ist, ist es gut möglich, dass Content über diese Spiele auch in verschiedenen Sprachen auffindbar ist. Ein Beispiel: Vor kurzem habe ich Informationen über eine Funktion in Aion, dem Beispiel von eben, gesucht. Da die aktuelle Version des Spiels schon wesentlich länger in Korea spielbar ist als in Europa, gibt es viele Informationen von Spieler*innen, die koreanische Quellen durchforstet haben. Selbst wenn man selbst nicht Koreanisch spricht, kann man davon profitieren, weil es immer wieder Personen gibt, die diese Informationen rudimentär übersetzt haben. In meinem Fall war dies nicht zielführend, weil Abkürzungen verwendet wurden, die ich nicht eindeutig unterscheiden konnte. Im deutschsprachigen Forum fand ich keine Informationen, weshalb ich auf Englisch weitersuchte. In der Suchmaschine gab es wenig Treffer. Ein Treffer kam von einer russischen Seite, die früher viele Informationen parat hielt, mittlerweile aber nicht mehr funktionierte, weitere Treffer kamen aus einem französischen Forum, wo ich letztendlich die Informationen fand, nach denen ich gesucht hatte.
Allein dieser Erfahrungsbericht zeigt schon einige Möglichkeiten, wie man durch Gaming mit verschiedenen Sprachen in Berührung kommen kann, gerade wenn es um Spiele geht, die für mehrere Regionen veröffentlicht werden und ein internationales Publikum ansprechen. Einige Beispiele, die ich erwähnt habe, stammen aus Aion. Dies ist lediglich der Tatsache geschuldet, dass ich bei diesem Spiel aus eigenen Erfahrungen berichten kann, wie Mehrsprachigkeit den Umgang mit dem Spiel prägt.
Quellen von Sprachbarrieren
Ein Punkt, der bei Angeboten in verschiedenen Sprachen jedoch nicht zu kurz kommen darf, ist der Hinweis auf Sprachbarrieren. Eigentlich bietet ein mehrsprachiges Angebot ja den Abbau von Barrieren, weil mehr Personen in der Sprache spielen können, die sie besser verstehen. Wenn jedoch bestimmte Inhalte nur in einer Sprache angeboten werden und dafür andere Inhalte in mehr Sprachen angeboten werden, kann dies für Personen, die eigentlich vom Spiel in ihrer Sprache angesprochen werden sollen, doch wieder eine Sprachbarriere aufbauen. Dies kann durch das Zusammenlegen von Servern passieren wie im Beispiel, dass ich zuvor nannte oder durch den Stop der Unterstützung von Updates in einer bestimmten Sprache. Hinzu kommt der Punkt, dass der Großteil der Sprachen der Welt von Spiele-Publishern schlichtweg ignoriert wird und es Spieleinhalte generell nur in einer Minderheit von Sprachen zugänglich gibt. Zumindest für mehrsprachige Spieler*innen bieten hier Spiele, in denen In-Game Kommunikation eine große Rolle spielt, eine Möglichkeit, auch Sprachen zu verwenden, die von Publishern normalerweise nicht bedacht werden. Dies funktioniert aber auch nur, wenn diese Spieler*innen genügend andere Personen finden, die dieselbe(n) Sprache(n) für das Spiel verwenden möchten. Dies lässt sich ein wenig mit anderen Plattformen vergleichen. Ich kann Twitter selbst nicht auf Niederdeutsch umstellen, ich kann aber mit anderen User*innen der Plattform auf Niederdeutsch kommunizieren, indem wir auf niederdeutsche Tweets voneinander reagieren oder uns private Nachricht auf Niederdeutsch zuschicken.
Ich bin gespannt, was kommende Generationen berichten, über welche Wege und mit welchen Technologien sie zukünftig Sprachen gelernt haben werden. Zeitgleich bin ich auch gespannt, was euch schon heute für weitere Möglichkeiten von Mehrsprachigkeit im Gaming einfallen. Vielleicht der Wechsel von Sprachen zwischen verschiedenen Figuren wie in Filmen?
Einen ähnlichen Artikel wie diesen gibt es auch auf meinem Blog zu lesen. Darin geht es um Gaming als Weg, Menschen kennenzulernen und Sprachen zu üben: Videospiele: Eine Methode zum Kennenlernen von Menschen und zum Üben von Sprachen.
Über die Autorin:
Martina Gerdts ist Masterstudentin in Romanistischer Linguistik mit einem Bachelor of Arts in Portugiesisch und dem Nebenfach Spanisch. In der Linguistik verfolgen sie Adjektive und Adverbien, während sie in ihrer Freizeit fröhlich vor sich hin tweetet. Als selbsternannte Gamerin im Ruhestand ist sie nach einer langen MMO-Zeit aktuell nur noch ab und zu beim Handy- und Browserspiel „Forge of Empires“ zu finden. Mehr Infos über sie findet ihr über ihre Homepage.
Bibliographie:
Wagner, Pascal M. (2023): “Language at Play zu Gast bei… OK COOL“, in: LanguageAtPlay.de, https://languageatplay.de/2023/04/04/language-at-play-zu-gast-bei-ok-cool/.
Gerdts, Martina (2023): “Videospiele: Eine Methode zum Kennenlernen von Menschen und zum Üben von Sprachen”, in: martina-gerdts.de, https://martina-gerdts.de/videospiele-sprachenlernen/