»Dein Tagebuch wurde aktualisiert« – Life-Writing und die neue autobiographische Welle in Videospielen
Ein Beitrag zu den Interactive Fiction Days von Johannes Alvarez.
Dass das Leben angeblich die besten Geschichten schreibt, ist als Erkenntnis mittlerweile im medialen Mainstream angekommen. Flimmern im Kino die Worte »based on a true story« über die Leinwand, fungiert dies als implizites Gütesiegel, ja, beinahe als unterschwellig vermittelte Botschaft eines Qualitätsmerkmales an uns – die Zuschauer – und soll uns in besonderer Weise neugierig auf das nun Folgende stimmen: »Achtung, aufpassen! Hier geht’s um ECHTE Geschichten…«
Während Romane und Filme sich jüngst immer wieder gerne auto/biografischen Geschichten zuwenden, sucht man zumindest bei den großen Produktionen im Spielemarkt vergeblich nach ähnlichen Themen. Umso spannender ist darum die Erkenntnis, dass im Bereich kleiner angelegter Spieleprojekte, dem Indie- oder AA-Segment, sehr wohl entsprechende Thematiken und Stilformen erkennbar sind. Gemeint sind das sogenannte Life-Writing, Biographien, sowie Autobiographien, kurz gesagt: Die mediale Aufzeichnung eines Lebens. Doch was genau versteht man darunter, wie definiert sich das Genre und wo wird die Grenze gezogen zwischen authentischer Nacherzählung und Fiktion?
»Notoriously difficult to define, autobiography in the broader sense of the word is used almost synonymously with ›life writing‹ and denotes all modes and genres of telling one’s own life.
While autobiography on the one hand claims to be non-fictional (factual) in that it proposes to tell the story of a ›real‹ person, it is inevitably constructive, or imaginative, in nature and as a form of textual ›self-fashioning‹ ultimately resists a clear distinction from its fictional relatives (autofiction, autobiographical novel), leaving the generic borderlines blurred.«1
Ich schreibe, also bin ich
Auf dem Papier scheint auf den ersten Blick alles so einfach. Biographien, oder biographische Werke spiegeln in möglichst sachlicher, aber dennoch interessanter Weise das Leben bestimmter Menschen wieder, die ihren Erfahrungen Ausdruck verleihen wollen. Der Autor oder die Autorin findet sich also offensichtlich im Werk wieder und gibt ein unverblümtes Bild seiner selbst ab. Oder etwa nicht?
Nun ja, nicht ganz. Das Genre bietet auf diesem Gebiet nämlich eine Menge Fallstricke. Wenn wir über Life-Writing sprechen, dann hangeln wir uns zwangsläufig auch an diversen gedanklichen Baustellen vorbei, die gerade aktuell immer wieder diskutiert werden. Da wäre zum einen die Authentizitäts-Debatte, diverse Fragen zum Thema Identität, oder auch die Überlegungen des französischen Philosophen und Schriftstellers Roland Barthes, welcher der generellen Autorenrolle mit Schriften wie seinem Aufsatz Tod des Autors einen neuen Denkanstoß verpasste.
Das Forschungsgebiet des Life-Writing ist hingegen ein recht moderner wissenschaftlicher Zweig, der literatur- sowie sozialwissenschaftliche Aspekte miteinschließt und sich beispielsweise auch mit Themen wie dem Postkolonialismus, und damit auch dem über lange Zeit westlich (und ebenso männlich) geprägten Einfluss auf das Genre kritisch auseinandersetzt. Dreh- und Angelpunkt vieler Theorien ist immer wieder die Ambiguität zwischen der realen und der in der Auto/Biographie dargestellten Person. Philippe Lejeune schrieb über dieses Thema beispielsweise einen Aufsatz mit dem Titel Der autobiographische Pakt, in dem er sein gleichnamiges Modell präsentiert.2 Darin beschreibt er die dreifache Namensidentität, auf die sich ein Leser einer Auto/Biographie einlässt, bestehend aus dem Autoren, dessen Name das biographische Werk ziert, dem Erzähler und der Person, über die der Erzähler spricht. In Bezug auf das Identitätsproblem spricht hingegen Michael Bamberg über das »three identity dilemma«, bestehend aus (1) der Gratwanderung zwischen Wandel und Konsistenz der eigenen Person im Laufe der Zeit, (2) dem Streben, sich im Angesicht seiner Mitmenschen eine Einzigartigkeit zu erhalten und (3) dem Begriff der agency, den wir hier beinahe schon synonym zur Anwendung im Videospiel-Bereich verwenden können, also dem Grad, in dem ein Jeder auf seine Umwelt einwirkt und umgekehrt.3 Videospielanalysen mit einem Fokus auf biographisches Schreiben sind bisher eher eine Seltenheit. Betrachtet man Spiele allerdings mit einem solchen Blick, zeigt sich, dass es mehr zu entdecken gibt, als man vielleicht denkt. Mehr noch: Man kommt zu der Prognose, dass Life-Writing in Spielen zukünftig noch eine große Rolle spielen könnte.
Life-Writing in allen Farben: Von der Spielmechanik zum Genre
Eine der prominentesten Formen des Storytellings mittels biographischem Schreiben spiegelt sich in der Form von auffindbaren Tagebuchseiten wider. Einer der einflussreicheren Vertreter der jüngeren Zeit ist hierbei BioShock. Hier finden wir immer wieder Audio-Aufzeichnungen der Bewohner Raptures, die wir auflesen und abspielen können. Durch die persönlichen Aufzeichnungen verschiedenster Figuren erfahren wir mehr über die Geschichte und ihre Hintergründe und bekommen ein klareres Bild von der Situation in der wir uns befinden. Diese Formen persönlicher Aufzeichnungen, sei es als Audionachricht, handschriftliche Notiz, Tagebuch, oder E-Mail, begegnen uns in Spielen mit hoher erzählerischer Dichte mittlerweile sehr oft. Meist jedoch nur als ergänzende Erzählelemente, die das grundlegende Storyfundament weiter festigen und ausbreiten.
Allerdings gibt es auch Titel, die ihr narratives Scheinwerferlicht stärker und eindeutiger auf das Tagebuchführen und das persönliche Schreiben lenken. Im Horrorspiel Amnesia: The Dark Descent beispielsweise bewegen wir die unter Gedächtnisschwund leidende Hauptfigur Daniel durch ein riesiges, scheinbar verlassenes Burganwesen. Die Herleitung dafür, wie es zur Amnesie kam und was hier eigentlich vor sich geht, erfahren wir lediglich über verstreut herumliegende und aufsammelbare Tagebuchaufzeichnungen, die hier als narrativer Leitfaden die Geschichte lenken und voranbringen. Die Distanz, die entsteht zwischen Spielfigur und deren eigenen Memoiren, überträgt sich dabei auf den Zuschauer, der hier selbst die Rolle eines Beteiligten ohne Erinnerungen einnimmt.
Abseits von dieser sehr verbreiteten Form von biographischen Texten in Videospielen, findet sich in einem ebenfalls interessanten Beispiel ein weiterer Aspekt, der unmittelbar mit Life-Writing verknüpft ist und bereits erwähnt wurde. Das Spiel, um das es geht ist Call of Juarez: Gunslinger, der Aspekt den ich meine die Ambivalenz zwischen authentischer Nacherzählung und notwendiger Fiktionalisierung. Im Western-Shooter von Techland erzählt der betagte Kopfgeldjäger Silas Greaves in einer Taverne der eifrig lauschenden Zuschauerschar von seinen abenteuerlichen Erlebnissen, innerhalb derer wir als Spielfigur agieren. Während wir uns durch die Welt bewegen, den ständigen Kommentar von Greaves in den Ohren, begegnen wir dabei durchgehend Situationen, in denen scheinbar die Erinnerungen des in die Jahre gekommenen Revolvermanns nachzulassen scheinen, er zu Übertreibungen neigt oder sich selbst zu wiedersprechen beginnt. Die Spielwelt passt sich visuell entsprechend der wandelnden Erzählung mit all ihren Korrekturversuchen und Ausuferungen in Echtzeit an. Dieses Beispiel zeigt sehr schön auf, wie selbst ein vermeintlich authentisches Genre wie das Life-Writing von der zwangsläufig subjektiven Wahrnehmung der Autoren abhängig ist und auch durch simple Dinge wie mangelnde Erinnerungen zuweilen unvermeidbar Gedächtnislücken mit fiktivem gestopft werden.
Die Erzähl-(R)Evolution – Indie-Games entdecken das Autobiographische für sich
Bevor wir noch eine Stufe weitergehen und uns den aus den Leben gegriffenen und damit zumindest »realeren« Spielegeschichten widmen, müssen zuvor noch die im Vorwort erwähnten Entwicklungen im Indie- und AA-Markt im Bereich Life-Writing erwähnt werden. Allen voran die der sogenannten »Walking Simulatoren«, also Spiele mit hohem erzählerischem Fokus und meist reduzierten Spielmechaniken. Es ist beinahe schon erstaunlich, wie viele dieser Titel ihren Fokus auf das auto/biographische Schreiben legen und mit diesem Stilmittel versuchen, uns das Innenleben ihrer Figuren verständlicher zu machen. Gone Home, What Remains of Edith Finch, Everybody’s Gone to the Rapture, Tacoma oder Marie’s Room, um nur ein paar in dieses Bild fallende Titel der letzten Jahre zu nennen. Hinzu kommen außerdem noch Titel wie A Normal Lost Phone oder Emily is Away Too, in denen man als Spieler in einer beinahe archäologischen digitalen Aufarbeitung in privaten und intimen Daten, Nachrichten und Aufzeichnungen schnüffelt, um sich dadurch das große Ganze der eigentlichen Geschichte zu erschließen.
Gerade am Beispiel von Gone Home lässt sich der Einsatz des biographischen Stils ähnlich der vorher erwähnten Anwendung sehr gut erkennen. Als Schwester der zentralen Figur Samantha durchforsten wir unser riesiges gemeinsames Wohnhaus nach Informationen, lesen ihre Tagebuchseiten, hören ihre Musik und schauen und schnüffeln in allen Ecken des Hauses herum. Die Chronologie, in der wir dies tun, ist hier nicht durchgehend fix. Durch den Aspekt der freien Erkundung werden wir hier erneut dazu aufgefordert, die einzelnen Fragmente stellenweise selbst zu rekonstruieren. Gerade der Aspekt der Identitätsbildung von Samantha ist in der Geschichte von Gone Home entscheidend. Durch den Filter des kathartischen Prozesses der Selbstaufzeichnung von Sam und den Schleier der Vergangenheit betrachten wir die Erlebnisse unsere Schwester und ihre Entwicklung, derer wir uns allmählich bewusst werden.
Gerade versammelt unter dem Banner der »Interactive Fiction« lässt sich beinahe schon sagen, dass in den letzten paar Jahren ein erzählerischer Wandel stattfand, der neue Möglichkeiten hervorgehoben hat und Geschichten anderer Fasson, meist mit persönlicheren Themen und Problemen, oftmals Identitätskonflikten, in den Mittelpunkt stellt. Der Weg zur Ich-Findung durch den Versuch, sich durch das Aufzeichnen der eigenen Gedanken selbst besser zu verstehen, scheint dabei als menschlicher und verständlicher Prozess ein nachvollziehbares Mittel zu sein. Videospiele als Darstellungsformen dieser Probleme haben sich einem breiteren Publikum geöffnet, nicht nur was die Konsumenten angeht, sondern auch hinsichtlich der Produktionsmittel und der Diversität der in diesem Umfeld arbeitenden Menschen.
»[I]n video games, historically, the life narrative has been all but invisible, hidden away, and left as Easter eggs or more generalized allegories within science fiction and fantasy narratives. A new era of indie game development is challenging the very definitions of fiction and autobiography, and what it means to tell one’s story.«4
Das erzählerische Mittel der auto/biographischen Texte (Tagebuchseiten, Audio-Aufzeichnungen, etc.) eignet sich perfekt dazu, komplexe Figuren und ihre vielschichtigen Gedankengänge in einen Kontext zu setzen mit ihren persönlichen Lebensumständen und Erfahrungen. Gleichzeitig erlaubt es den Machern dieser Spiele, auf eine künstlerische Art und Weise diese Gedankenwelten explizit und in aller Klarheit zu äußern, ohne dabei simplifiziert oder unprofessionell zu wirken. Die Entwicklungen innerhalb der Spielebranche und auch in der Gesellschaft spiegeln sich also unter anderem im Wandel des Storytellings in modernen, meist literaturnäheren, storylastigen Spieletiteln wieder, die sich der »Interactive Fiction« unterordnen lassen. Doch kann das Medium Spiel Life-Writing auch über die bisherigen Genregrenzen hinweg bereichern?
Videospiele und ihre Chancen für das Life-Writing
Das größte Alleinstellungsmerkmal von Spielen, ihre Interaktion, wird zum Möglichkeitsmotor für eine Vielzahl dieser Geschichten. Sicher ist es auch kein Zufall, dass bei den meisten Walking Simulatoren die First Person-Sicht die Kameraeinstellung der Wahl ist. Im Fall von biographischen, dem Life-Writing zuordenbaren Titeln ermöglicht die Ego-Perspektive einen potenziell höheren Grad der Immersion und lässt uns mehr in Spielwelt und Erlebnisse der Figuren abtauchen. Diese meist persönlicheren Geschichten werden dadurch für uns erlebbar gemacht. Auch kann der Versuch unternommen werden, Körperlichkeit empathisch nachempfindbar zu gestalten. Für Titel, die zum Beispiel Fragen zur sexuellen Identität oder psychische Krankheiten zum Thema machen, stellen Spiele das ideale Werkzeugrepertoire bereit, um Menschen, die mit jenen Schwierigkeiten keine Erfahrungen haben, einen Einblick in eine ihnen fremde Welt zu bieten. Sie quasi wortwörtlich durch die Augen anderer sehen zu lassen. Durch Interaktion wird hier zumindest in der Theorie die Möglichkeit gegeben, in jene Gedankenwelten und Lebenssituationen einzutauchen. Einen großartigen Job macht hier beispielsweise What Remains of Edith Finch, das zwar eine vollständig fiktive Geschichte erzählt, aber die Einblicke in das Innenleben seiner Figuren in abstrahierter und fantastischer Weise visualisiert.
Oft jedoch nimmt Life-Writing in Spielen ebenso eine voyeuristische Rolle ein. Dass wir in A Normal Lost Phone durch die privaten und intimen Daten einer uns unbekannten Person stöbern, gibt uns zwar auf der einen Seite eine sonst unzugängliche Einsicht in die Gedankenwelt einer Figur, die sich über ihre sexuelle Orientierung Gedanken macht, fühlt sich auf der anderen Seite aber auch irgendwie falsch an. In Spielen wird uns also nicht nur die Möglichkeit gegeben, in introspektiver Form in die Rolle eines Menschen mit einer besonderen Geschichte und individuellen Problemen zu schlüpfen, sondern auch das voyeuristische Beobachten von außen als unbeteiligter Dritter möglich gemacht.
Doch gerade das Einnehmen einer Rolle und dadurch der Verlust der ursprünglichen Distanz zwischen Autobiographen und Rezipienten macht Spiele in meinen Augen so spannend für Projekte, die sich dem Life-Writing widmen. Wie Jack Yarwood auf Gamasutra am Beispiel von Memoir En Code darstellt, kann der autobiographische Stil auf Game Designern jedoch auch einen starken restriktiven Einfluss haben. »If the intended goal of a project is to represent events exactly as they happened to the author, then the player can get bogged down by a linear narrative experience and lack of interactivity«5. Wie wir doch bereits gelernt haben, ist eine vollkommen objektive und authentische Sichtweise auf die persönlichen Ereignisse so gut wie unmöglich und die eigene Erzählung dadurch, wie in der Definition des living handbook of narratology beschrieben: »inevitably constructive, or imaginative«6. Genau an diesem Punkt könnten also auch Spiele ansetzen und mit einer Mischung aus narrativ geleiteten und spielerisch freien Erzählelementen, autobiographische Geschichten entstehen lassen. Denn das Ziel ist nicht die zu 100% akkurate Nacherzählung, sondern der Einblick in Figuren, ihre Probleme und ihren Blick auf die Welt.
Die ersten Gehversuche: Autobiographische Spiele als Ausdrucksmittel
Abschließend daher noch ein paar Titel, die zwar ebenso fiktionalisierte Erzählmittel benutzen, sich in ihrer Intention und Vermarktung jedoch mehr auf autobiographische und persönliche Erfahrungen berufen. In Depression Quest, einem mit Twine entwickeltem Text-Adventure, wird der Alltag mit der Krankheit Depression erfahrbar gemacht. Dabei wird mit dem Genre selbst gespielt, indem beispielsweise Handlungsoptionen, die lebensbejahend erscheinen und für einen Depressiven mit starken körperliche und psychische Anstrengung verbunden sind, als nicht anklickbar dargestellt werden. Somit wird die Energielosigkeit vor Augen symbolisiert, die Betroffenen ihre Optionen zwar durchaus vor Augen führt, welche sie jedoch aus mangelnder Antriebskraft nicht durchführen können. Die Entwickler Zoe Quinn und Patrick Lindsey wählten das Medium Spiel als geeignetes Mittel dafür aus, ihre eigenen Erfahrungen mit der Krankheit darzustellen: »Externalizing that into a game and asking people to take some time out to see what ‘rules’ other people have to live with, I think, is a powerful use of the medium«7, so Quinn im Interview mit The New Yorker.
Ebenfalls große Wellen geschlagen hat das Spiel That Dragon, Cancer in dem die beiden Eltern Amy und Ryan Green das Krebsleiden ihres verstorbenen 5-jährigen Sohns Joel verarbeiteten. Die knapp zweistündige Erzählung zeigt dabei all die traurigen, aber auch die schönen Zeiten, die die Familie gemeinsam verbringen konnte. Während der Entwicklung verlor Joel schließlich den Kampf gegen den Krebs, was der Arbeit an dem Spiel eine neue Richtung verpasste, sodass 70% der bisherigen Inhalte verworfen und neu konzipiert wurden. Als Spiel ist That Dragon, Cancer mehr oder weniger ein Novum. Die Kombination der thematisierten Inhalte, einer sehr persönlichen Erzählung, Krebsleiden, Kindestod und die Verarbeitung dessen, ist neuartig und funktioniert damit beinahe unterbewusst als mutiger Tabubruch. Der Titel steht exemplarisch für eine moderne Form und Herangehensweise an Videospiele: Als künstlerische Ausdrucksform, mit der den eigenen erdrückenden Gefühlen ein Ventil verliehen werden kann. Um uns die Schattenseiten des Lebens, die wir gerne mal ausblenden, vor Augen zu führen und nahbar zu machen. Wie Jenn Frank von Kotaku treffend das Spiel beschrieb: »That Dragon, Cancer is about sustaining the hope and joy of life for just as long as we can.«8
Spiele haben sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und die Branche sich immer mehr geöffnet. Statt einem geschlossenen Kreis von technisch versierten Insidern, stehen die Mittel und Werkzeuge zum Spieleprogrammieren heutzutage mehr Menschen denn je zur Verfügung. Und das ist auch gut so, denn durch diese Verbreitung wird mehr und mehr Leuten die Tür dafür geöffnet, ihre eigene Lebensgeschichte, ihre Gedanken und Probleme durch dieses künstlerische Medium zum Ausdruck zu bringen. Das Resultat davon sehen wir vor allem im Bereich des Indie-Markts, in Walking Simulatoren mit fiktiven, persönlichen Geschichten wie Gone Home und, wie der Artikel hoffentlich zeigen konnte, auch in noch intimeren, persönlicheren und stark biographischen Spielen wie Depression Quest und That Dragon, Cancer. Spiele mit narrativem Fokus, mit menschlichen, nachempfindbaren Geschichten tauchen allmählich immer öfter. Diese Titel mit einem Fokus auf Life-Writing zu analysieren könnte also in Zukunft noch durchaus spannend werden.
Über den Autor:
Johannes Alvarez studiert momentan Anglistik und Soziologie in Heidelberg. Privat schreibt er auf crossmediaculture.de über Spiele, Filme, Serien und mehr, auf spielkritik.com wirkt er zudem als Redakteur mit. Außerdem ist er auf Twitter zu finden.
Behandelte Spiele:
BioShock. 2007. Entwickler: 2K (diverse). Publisher: TakeTwo Interactive. Plattform: PC/PS3/PS4/XBox 360/XBox One.
Depression Quest. 2013. Entwickler/Publisher: Zoë Quinn. Plattform: Windows/Mac/Linux.
Gone Home. 2013. Entwickler/Publisher: Fullbright. Plattform: PS4/Xbox One/Windows/Mac/Linux.
That Dragon, Cancer. 2016. Entwickler/Publisher: Numinous Games. Plattform: Windows/Mac/iOS/Android/Ouya.
What Remains of Edith Finch. 2017: Entwickler: Giant Sparrow. Publisher: Annapurna Interactive. Plattform: PS4/XBox One/Windows.
Fußnoten und weiterführende Literatur:
1. Schwalm, Helga. Autobiography. »The living handbook of narratology«. http://www.lhn.uni-hamburg.de/article/autobiography↩
2. Lejeune, Philippe. [1975] 1994. Der autobiographische Pakt. Frankfurt am Main: Suhrkamp. & Lejeune, Philippe. [1987] 1988. On Autobiography. Minneapolis: University of Minnesota P. ↩
3. Bamberg, Michael. Who am I? Narration and its contribution to self and identity. »Theory & Psychology«. 2011. 21.1, 3–24. ↩
4. Can You Live A Video Game? Autobiography & Living The Author In Video Games. Medium.com. (https://medium.com/anomalyblog/playing-the-author-video-game-autobiographies-46367939c70a)↩
5. Autobiographical Memoir En Code finds game mechanics in daily life. Gamasutra.com. (https://www.gamasutra.com/view/news/282312/Autobiographical_Memoir_En_Code_finds_game_mechanics_in_daily_life.php)↩
6. Schwalm, Helga. Siehe Fn. 1.↩
7. Zoe Quinn’s Depression Quest. Newyorker.com. (https://www.newyorker.com/tech/elements/zoe-quinns-depression-quest)↩
8. Cancer, The Video Game. Kotaku.com. (https://kotaku.com/cancer-the-video-game-471333034)↩
Bart Moore-Gilbert, Bart. Western Autobiography and Colonial Discourse: An Overview. »Wasafiri«. Band 21, 2. 2006. 9–16.
Gusdorf, Georges. 1980. Conditions and Limits of Autobiography. »Autobiography: Essays Theoretical and Critical«. Editor: James Olney. Princeton University Press.
A Father, a Dying Son, and the Quest to Make the Most Profound Videogame Ever. Wired.com. (https://www.wired.com/2016/01/that-dragon-cancer/)
Gaming to cope: how developers are tackling real life. Telegraph.co.uk. (https://www.telegraph.co.uk/gaming/what-to-play/personal-issues-inside-the-fascinating-world-of-interactive-biog/)
Ludic Epistolary, or, Where Have All The Letters Gone?. Gamasutra.com. (https://www.gamasutra.com/blogs/JustinBortnick/20151217/262140/Ludic_Epistolary_or_Where_Have_All_The_Letters_Gone.php)
That Dragon, Cancer: Coping with a son’s diagnosis through a video game. Bbc.com. (http://www.bbc.com/news/magazine-35286068)
Eine Antwort
[…] und diverse Kassettenrekorder unter den Arm geklemmt und als Auftakt für die IF Days den Text »Dein Tagebuch wurde aktualisiert« verfasst. Dazu untersucht er außerdem den Sprung vom Tagebuchschreiben im Spiel zu Spielen, die […]