Mehr Ausrüstung, mehr Mods, mehr Frauen in Destiny 2: Forsaken
Unzählige neue Missionen, Beutezüge, Waffen und Ausrüstungsgegenstände. Diese Verbesserungen durch ein DLC sind die Spieler*innen von Destiny bereits seit Jahren gewohnt, dennoch schaffen es die Entwickler*innen auf diese Weise den Lebenszyklus der Marke stetig zu verlängern. Neben der Ausrüstung, die in der Community und der Fachpresse im Fokus steht, schafft es Destiny nach und nach andere interessante Inhalte in das Spiel zu implementieren: zum Beispiel starke Frauenfiguren.
Neues Leben durch neue Inhalte
Nach mehr als einem Jahr der Veröffentlichung des Hauptspiels präsentiert Bungie für Destiny 2 unter dem Beinamen Forsaken der erste großangelegte DLC. Zuvor erschienen die zwei Erweiterungen Fluch des Osiris und Kriegsgeist, die jedoch einen wesentlich kleineren Umfang an Story-Missionen sowie Ausrüstung boten und zudem einen narrativen Tiefgang vermissen ließen. Letzteres lag unter anderem an der oberflächlichen Erzählung, die überwiegend transmedial über erspielbare Grimoire-Karten auf der Bungie-Website erzählt wurde.[1] Dementsprechend bietet Forsaken zahlreiche neue Missionen und Ausrüstungsgegenstände, die den Plot und die Ausrüstung der Hüter*innen erweitert. Dabei treffen die Spieler*innen auf alte Bekannte wie etwa dem Erwachten Uldren Sov, der sich sogleich als Antagonist herausstellt.
Auch das Level-System zum Aufrüsten von Waffen und Rüstungsteilen wurde um neue Eigenschaften erweitert und bietet nun tiefgreifende Personalisierungsmöglichkeiten. Dies wird unter anderem durch Mods gewährleistet, die dafür sorgen können, dass die Hüter*innen schneller regenerieren, bestimmten Gegnertypen mehr Schaden zufügen und vieles mehr. Auch lässt sich so die Ausrüstung auf bestimmte Waffen abstimmen, da einige Rüstungstypen in Verbindung mit der passenden Mod etwas das Nachladen von Handfeuerwaffen erhöht oder ähnliches.
Petra sagt an
Hinsichtlich der Inszenierung, des Spannungsbogens sowie der Missionsabläufe erreicht Destiny 2 neue Höhen innerhalb seiner Erzählung. So titelt etwa die Fachpresse, dass der DLC „die beste Kampagne der Serie“[2] bieten würde.
Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wartet das Spiel schon in der ersten Mission mit einer Orgie an Explosionen und dem exzessiven Gebrauch von Schusswaffen auf. Dies war nicht anders zu erwarten, ist die Serie doch für sein effektreiches und geschmeidiges Kampfsystem bekannt. Doch warum war diesmal der Einsatz von Automatikgewehren, Granaten und „Space Magic“[3] notwendig?
Das Riff – früherer Stützpunkt der Erwachten – wird nach einem Sicherheitsleck im Gefängnis der Alten von kriminellen Aliens überrannt. Die Spieler*innen und Cayde-6, ein hochrangiges Mitglied der friedenstiftenden Vorhut, untersuchen die Situation und entdecken den Ursprung des Ausbruches: Der Hohn, eine Alien-Rasse, die die neue Hauptgegnergruppe von Forsaken darstellen. Sie werden von acht Baronen und Uldren Sov angeführt, die Cayde-6 und die Spieler*innen jagen und vernichten müssen, um die Überfall einzudämmen. Dabei werden sie von einer bekannten Spielfigur aus Destiny 1 unterstützt namens Petra Venj.
Petra ist eine frühere Regimentsführerin der Königin Mara Sov und unterstützt die Spieler*innen während des Gefängnisausbruches im Riff. Durch ihre enorme Erfahrung gelingt es ihr zahlreiche Flüchtige zu eliminieren und fungiert anschließend als strategische Planerin hinsichtlich unterschiedlicher Missionsziele. Im weiteren Verlauf des Plots errichtet sie einen neuen Stützpunkt für den Wiederaufbau der Erwachten in der Träumenden Stadt ein. Ihr neues Regiment, wie auch schon ihr vorheriges, zählt lediglich weibliche Mitglieder.
Petra Venj ist jedoch keine Einzelerscheinung im NPC-Ensemble von Destiny 2. Schon das Hauptspiel, welches im September 2017 erschien, wies eine Vielzahl von Frauenbildern mit unterschiedlichen Charakterzeichnungen auf, wie etwa durch die Figuren Tess Everis, Amanda Holliday, Tyra Karn, Ikora Rey oder Hawthorne. Während einige dieser weiblichen NPCs, wie Everis, Holliday und Karn, auf spielerischer Ebene lediglich die Position unterstützender Händlerinnen sowie ‚Quest-Giver‘ einnehmen und zudem nur marginal den Plot der Handlung vorantreiben, stehen andere im Fokus der Handlung und sind durchgängig narrativ-aktiv angelegt. Beispiele hierfür sind Ikora Rey, die bereits in Destiny 1 die Rolle eines wichtigen Vorhut-Mitglieds einnahm und Hawthorne, die einen Großteil der Story des Hauptspiels von Destiny 2 vorantreibt.
„Who run the world? Girls!” (Thanks Beyoncé)
Ikora Rey, ein Warlock mit übermenschlichen magischen Kräften und Führungsmitglied der Vorhut der letzten Stadt der Erde. Ihre geschärften Sinne und ihr weitreichendes Wissen der modernen Kampfführung haben ihr den Respekt der Vorhut auf allen Ebenen gesichert. Während nervenaufreibender Missionen behält sie stets das Ziel im Auge und gibt sich nur selten ihren Gefühlen hin. Aufgrund ihrer geistigen und magischen Fähigkeiten erscheint sie als Superheldin inszeniert, die jedoch aufgrund ihrer partiellen Gefühlsausbrüche nicht an Nahbarkeit verliert. Zudem repräsentiert sie hinsichtlich ihrer Erscheinung – der fähigen schwarzen Frau – Diversität auf Ebenen der Ethnie.
Hawthorne ist ebenfalls eine Frauenfigur, die von dem standardisierten kaukasischen Erscheinungsbild einer typischen Spielfigur abweicht. Im Gegensatz zu Ikora Rey verfügt sie allerdings über keinerlei magische Fähigkeiten und verlässt sich auf ihre menschlichen motorischen Fähigkeiten. Sie ist eine großartige Schützin und in Dialogen zwischen anderen NPCs stets entschlossen, ruffreudig und vertritt stets ihre Meinung. Kommentare wie: „Unsichere Männer gesellen sich gern mit Gleichgesinnten“, unterstreichen ihre starke Persönlichkeit gegenüber der oft feindlich gesinnten Männlichkeit, die die Welt von Destiny 2 bedroht. Des Weiteren errichtete sie nach der Zerstörung der Letzten Stadt der Erde ein Flüchtlingslager für die vom Krieg verfolgten Zivilist*innen im tiefsten Gebirge. Hawthorne ist somit eine mündige und fähige Frauenfigur, die eine Selbstinitiative ergreift und ihren eigenen Weg geht.
Die Diversität von Frauenbildern wäre jedoch nicht ausgeglichen, wäre da nicht auch eine starke weibliche Gegenspielerin. Auch hier bietet Destiny 2 eine Neuheit. Denn nach den überwiegend männlichen oder anorganisch-geschlechtslosen Kontrahenten gesellt sich nun eine weibliche Figur in die Reihen der End-Bosse ein. Seit dem 14. September gewährt der Raid „Letzter Wunsch“ neue Einblicke in die facettenreiche Geschichte von Destiny 2: Forsaken.
Nachdem der vermeidliche Gegenspieler Uldren Sov besiegt wurde, stellt Petra Venj ein Team aus sechs Hüter*innen für die Infiltration und Rückeroberung der Träumenden Stadt zusammen um die Alienkreatur „Riven“ zu stürzen. Riven ist eine mächtige Ahamkara[4], die die Fähigkeit der Formwandlung sowie kraftvolle Zauber der Illusion beherrscht. Sie ist die eigentliche Hauptantagonistin von Destiny 2 und nicht, wie zuvor vermutet, Uldren Sov.
Starke Rollenvorbilder
Durch ihre Fähigkeiten und starke Persönlichkeiten beanspruchen immer mehr Frauenfiguren das sonst so männlich besetzte Terrain der Online-Rollenspiele und -Shooter für sich. Destiny 1 und 2 präsentieren sich dabei als Vorreiter auf diesem Gebiet, zeigen sie doch Frauenfiguren in narrativ-aktiven Rollen und zwar nicht nur als glorifizierte Heldinnen wie Lara Croft oder Aloy (Horizon Zero Dawn, 2017), sondern als starke raffinierte Gegenspielerinnen oder mutige Frauen, die in einem Umfeld von Krieg und Angst durch ihre intrinsischen Motivationen edel und vorbildlich handeln. Keine Opferrolle, keine Jungfrau in Nöten. Spielfiguren wie Hawthorne suggerieren ein weibliches Rollenvorbild, das aufgrund der Charakterstärke der Nacheiferung würdig ist und das in einer Spielwelt, in der Spielfiguren unterschiedlichster Ethnie und abseits des Geschlechts miteinander arbeiten. Im Kontext von stetig aufflammenden GamerGate-Debatten und anderer misogyner Hexenjagden, die in einer verdrehten Weise Frauen zum Subjekt unterschiedlicher Schuldzuweisungen machen[5], wäre es wünschenswert, dass sich Destinys positives Bild von geschlechtlicher Eintracht auch auf die Gamer-Szene abstrahlt. Dennoch ist der Begriff „stark“ in Verbindung mit Weiblichkeit im digitalen Spiel nicht durchweg positiv belegt, da er weitere charakterliche Vielschichtigkeiten vermissen lässt. Die Stärke der erwähnten Spielfiguren zeigt nur eine Seite von Weiblichkeit, wobei Frauen doch viel mehr sind als nur das. Sie können zurückhaltend, bedacht, analytisch und viele weitere Charaktereigenschaften an den Tag legen. Diese Eigenschaften müssen keinesfalls negativ angelegt sein, denn sie zeigen ein breites Spektrum an unterschiedlichen Frauenbildern, die in ein digitales Spiel integriert sein könnten und somit die ‚reale‘ Weiblichkeit der Gesellschaft reflektieren würden. Somit kann festgehalten werden, dass digitale Spiele, trotz einiger positiver Beispiele, noch weit davon entfernt sind Frauencharaktere zu implementieren, die abseits der Rolle der potentiellen Alleskönnerin auch nachvollziehbare Schwächen aufweisen und somit einer Spielfigur mehr Tiefe und Nahbarkeit vermitteln.
[1] Eine gebundene Fassung der Grimoire-Karten aus Destiny 1 wird im Herbst 2018 erscheinen und zeigt auf, welches narrative Potential in der Erzählung steckt. Vgl. „Sven“. „Das Grimoire aus Destiny gibt’s nach 4 Jahren nun endlich als Buch“. MeinMMO. Abrufbar unter: https://mein-mmo.de/destiny-grimoire-anthologie/ (Stand: 17.09.2018).
[2] Weber, Maurice. „Destiny 2:Forsaken – Die beste Kampagne der Serie ist trotzdem eine Enttäuschung“. Gamestar. Abrufbar unter: https://www.gamestar.de/artikel/destiny-2-forsaken-die-beste-kampagne-der-serie-und-trotzdem-enttaeuschend,3334432.html (Stand: 14.09.2018).
[3] „Space Magic“ (Supers) fungiert in Destiny als Spezialfähigkeiten, die an unterschiedliche Klassen der Avatare gebunden sind. Vgl. Destiny 2 Wiki. „Space Magic”. Abrufbar unter: https://destiny2.gamepedia.com/Space_Magic (Stand: 16.09.2018).
[4] Destinypedia. „Ahamkara“. Abrufbar unter: https://www.destinypedia.com/Ahamkara (Stand: 16.09.2018).
[5] Vgl. Kunzelman, Cameron. „Wedding Proposal Hidden in Spider-Man Becomes World’s Saddest Easter Egg”. Houston Press. Abrufbar unter: https://www.houstonpress.com/news/the-spider-man-proposal-easter-egg-has-a-darker-side-10842784 (Stand: 16.09.2018).