Spiele-Empfehlungen mit Sprache, die ihr lieber auf itch.io als auf Steam kaufen solltet
Es ist Steam Sale! Valves Verkaufsmoloch wirbt wieder mit unverschämt hohen Rabatten auf unzählbar viele Spiele.
Leider haben davon gerade Indie-Entwickler heutzutage eher wenig, denn Steams Empfehlungsalgorithmen übergehen sie oft. Das und viele weitere Schnitzer Valves in der Vergangenheit, etwa die scheinbar von einer fundamental-christlichen Organisation eingeleitete Androhung Valves, Spiele mit sexuellen Inhalten und freizügigem Anime-Look von Steam zu entfernen, und die Reaktion auf den großen öffentlichen Protest, die Drohung zurückzuziehen und dafür nun komplett auf die Kuration des Stores zu verzichten, machen den Store immer unbrauchbarer. Wer zudem auch noch idealogisch fragwürdige Titel wie Ancestors: Legacy von den Hatred-Entwicklern oder Kingdom Come: Deliverance sexistische Pick Up-Anleitungen wie Richard La Ruinas Super Seducer vermeiden möchte, kann sich auf Steam schon einmal überfordert fühlen.
Genau deswegen bieten sich die großen, saisonalen Sale-Events von Steam also an, um innezuhalten und darüber nachzudenken, ob neben dem Quasi-Monopol im Online-Vertrieb nicht auch noch andere, tolle Seiten für Videospiele existieren, auf denen man das eigene Geld direkter und ohne Großunternehmen im Nacken an die Entwickler von besonderen Spielen weitergeben kann. Und weil das hier immer noch Language at Play ist und nicht Leftist Ideology at Play (wenn der Schritt auch kein weiter wäre), stelle ich euch fünf Spiele-Empfehlungen mit Sprache vor, die ihr lieber auf dem hervorragenden Indie Game-Store itch.io als auf Steam kaufen solltet!
Epistory: Typing Chronicles
Als erste ausführliche Spielvorstellung hier auf Language at Play habe ich Epistory: Typing Chronicles von Plug In Digital bereits viel Zeit und eine dicke Empfehlung gewidmet, sowohl aus optischer und spielerischer Sicht als auch um die eigene Tippgeschwindigkeit spielerisch zu trainieren. Auf einem Fuchs reitend durchstreift ihr in Epistory eine aus Origamipapier gefaltete Welt, die sich im Metroidvania-Stil immer weiter öffnet, je mehr Elementarfähigkeiten die von euch getippten Worte annehmen können. Die getippte Sprache lässt sich dabei frei aus einer großen Auswahl aussuchen, manche davon wie auch das Deutsche können nach Wunsch sogar mit oder ohne Sonderzeichen genutzt werden. Wenn euch an Typing of the Dead die Idee gefällt, das Setting aber nicht, dann findet ihr in Epistory garantiert viel, das euch Freude bereitet.
Long Gone Days
Eigentlich sollte es mir noch schwer fallen, eine Empfehlung für Long Gone Days von Camila Gormaz auszusprechen, denn das Spiel befindet sich noch im Early Access. Da Long Gone Days ein storygetriebenes RPG ist, bedeutet die laufende Entwicklungsphase, dass zum Zeitpunkt dieses Artikels erst das erste Kapitel spielbar ist und mit der Zeit weitere Teile nachgeliefert werden. Doch bereits jetzt spielt sich Long Gone Days wunderbar und lässt vor allem einen neuartigen, spannenden Ansatz erkennen: Das an klassische JRPGs angelehnte Spiel handelt von einem fiktiven kalten Krieg, der bis in die heutige Zeit fortläuft. Als Angehöriger einer im Untergrund agierenden Söldnerorganisation nehmen wir an einer Undercover-Mission im sowjetrussischen Kaliningrad an der polnischen Grenze Teil, die schnell zu einer Tragödie mit zahlreichen zivilen Opfern entgleist. Long Gone Days baut nicht nur ein cleveres Moralsystem in seine Kämpfe ein, dass die Abwägung zwischen der Nutzung von Fähigkeiten und eher defensiven Zügen interessant macht, es realisiert auch die Sprachbarriere: Ohne Russisch-Übersetzer aus der Zivilbevölkerung können sich die beiden abtrünnigen Hauptcharaktere nicht mit den Anwohnern Kaliningrads verständigen. Der Fokus auf dieses System lässt mich hoffen, dass Long Gone Days in Zukunft noch mit weiteren Sprachen und Übersetzern aufwartet und mich eventuell sogar irgendwann vor die Wahl stellt, auf welchen Dolmetscher ich in der nächsten Mission verzichten werde müssen.
Sethian
Fiktive Sprachen können eine furchtbar langweilige Sache sein. Wer einmal durchschaut hat, dass Al Bhed aus Final Fantasy X nur die Buchstaben des englischen durch zufällig ausgewürfelte andere Buchstaben ersetzt, der braucht nicht einmal mehr die im Spiel sammelbaren Wörterbücher, um die Sprache zu verstehen. Andere, richtig konstruierte Sprachen dagegen sind so spannend, dass sie selbst Forscher schon seit Jahrzehnten in ihrem Bann halten. Ich rede natürlich von J.R.R. Tolkiens Elbensprachen, die nicht nur einen eigenen Wortschatz besitzen, sondern auch eine komplett eigene Grammatik, Syntax und ein kulturelles Gefüge, in dem sie genutzt werden. Andrzej Sapkowskis respektive CD Projekt Reds Aen Llinge, die Elfensprache aus dem The Witcher-Universum, schlägt ebenfalls in jene Kerbe. Und in Sethian von Duang! Games steht genau so eine detailliert gebaute Sprache (oder ConLang, wie wir hippen Linguisten sagen) im Mittelpunkt. Diese verfügt nicht nur über eine an Gebärdensprache und chinesische Dialekte angelehnte Syntax, sondern dazu noch über ein eigenes Schriftsystem, dass in Sethian die einzige Schnittstelle eines Alien-Computers darstellt. Mithilfe eines Notizbuchs und diverser Übersetzertricks müssen wir in Sethian also nicht nur die Sprache meistern, sondern auch die Kultur der sethianisch sprechenden Gesellschaft verstehen. Wer sich einmal fühlen möchte wie die Archäologen und Linguisten, die den Rosettastein entziffert haben, der ist hier goldrichtig.
Go, Morse, Go! Arcade Edition
Wer Language at Play schon ein wenig verfolgt, weiß vielleicht, dass ich ein großer Fan davon bin, neue Zeichensysteme wie die Drachen-Keilschrift aus Skyrim oder Klassisches Tibetisch zu lernen. Deswegen kann ich an einem Spiel, dass mich kompetitiv herausfordert, unter Druck Morse-Code zu lernen und anzuwenden, nicht vorbeigehen. Go, Morse Go! Arcade Edition von Impostor Cat Games lässt bis zu vier SpielerInnen gegeneinander möglichst schnell Morse-Signale eingeben, denn in diesem Universum feuern Hasen-Cheerleader ihre Teams eben in langen und kurzen Piepstönen an und nicht mit Hymnen und Slogans. Mehr als ein simples Highscore-Konzept hat das Spiel nicht als Motivation zu bieten, aber wer aus Angst vor potentiellem Schiffbruch oder wie ich aus purem Interesse gerne die eigenen Morse-Fähigkeiten aufpolieren möchte, macht mit dem spottbilligen Go, Morse, Go! wenig falsch.
Type:Rider
Dass der Kultursender Arte gute digitale Spiele unterstützt, war für mich überraschend, wenn auch nicht schockierend. Das von Arte teilfinanzierte und vom französischen Entwickler Cosmografik Plattformer-Spiel Type:Rider führt einen Doppelpunkt durch die Geschichte der geschriebenen Sprache. Von der Handschrift mittelalterlicher Mönche über den Buchdruck – bis hin zu Comic Sans. Type:Rider ist aber kein trockenes Lernspielchen, sondern schlichtweg ein sehr guter physikbasierter Plattformer, der vor allem mit der Idee, einen rollenden Doppelpunkt zu spielen, viele spaßige Spielabschnitte produziert. Dazu kommt eine der motivierendsten Einbindungen von Sammelobjekten, die ich kenne: Jeder eingesammelte Buchstabe oder Asterisk schaltet nämlich eine weitere Seite des Geschichtsbuchs der Schrift frei. Type:Rider ist zwar schon etwas älter und ich war schon damals in einer meiner ersten Rezensionen überhaupt sehr angetan davon, aber auch heute noch würde ich es unumwunden weiterempfehlen.
Überhaupt kein Geld für egal welchen Sale übrig?
Auch für lau gibt es auf itch.io einige tolle Spiele rund um Sprache. In David Lynch Teaches Typing ist der Name Programm; über den seltsamen kleinen Schatz könnt ihr etwa bei den KollegInnen von Lost Levels lesen. Type Knight nutzt ein ganz ähnliches Kampfsystem wie Epistory, bei dem ein eingetipptes Wort zur richtigen Zeit die anstürmenden Gegnerwellen einen Kopf kürzer macht. Shichikashuku II ist ein Lern-JRPG für Japanisch und Englisch mit großer Freiheit an auswählbaren Charakteren – aber anders als etwa das hier bekanntere Learn Japanese to Survive! eher darauf ausgelegt, mit Japanisch-Vorkenntnissen gespielt zu werden und damit Englisch zu lernen! Sicherlich für die wenigsten deutschsprachigen SpielerInnen eine sinnvolle Lerngrundlage, aber ein lobenswertes Konzept, das es verdient hat, gewürdigt zu werden.
Wenn ihr nach dieser kleinen Sammlung immer noch lieber weiterlesen als selbst spielen möchtet, kann ich euch schlussendlich nur wärmstens die Interactive Fiction Days empfehlen. Die dreimonatige Aktion hier auf Language at Play mit haufenweise großartigen GastautorInnen hat sehr viele lesenswerte Artikel hervorgebracht! Und wenn euch einer der Artikel besonders gut gefällt, kommentiert und teilt ihn gerne – alle TeilnehmerInnen freuen sich über Lob und konstruktive Kritik!