Emoji-Studie von Discord zeigt, wie Emotionen unsere Chats bestimmen
In seiner ersten Emoji-Studie untersucht der Chat- und Voicechat-Anbieter Discord das Nutzungsverhalten von User*innen bei Emoji. Die von The Harris Poll durchgeführte Studie befragte weltweit insgesamt 16.000 Discord-User*innen, jeweils rund 2.000 aus den USA, Australien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Japan und dem Vereinigten Königreich. 9.066 der Befragten waren zwischen 16 und 25 Jahren alt, diese “Gen Z” nimmt Discord bei der Auswertung besonders in den Fokus. Von den in Deutschland befragten 2.007 Personen geben 51 Prozent an weiblich zu sein und 49 Prozent männlich. Zum Vergleich: Im globalen Schnitt geben 50 Prozent weiblich, 49 Prozent männlich und ein Prozent divers an.
Deutsche Befragte finden Nachrichten mit Emojis ehrlicher
Interessant: Mit 92 Prozent ist eine große Mehrheit der Deutschen der Meinung, dass Emojis einen positiven Einfluss auf den Ton der Unterhaltung haben. Das trifft vor allem auf die jüngeren Generationen zu: 73 Prozent der deutschen Befragten zwischen 18-34 Jahren (die Gruppe wird im oben stehenden Bild als “Gen Z” bezeichnet, obwohl Discord diese Generation sonst anders abgrenzt) geben an, dass sie ein Kompliment mit Emoji als echter empfinden als ohne, bei den 35-44-jährigen sind es sogar 75 Prozent. In beiden Altersgruppen geben 75 Prozent an, dass sie mit Emojis im virtuellen Raum Gesprächsbeiträge imitieren, die sie im analogen Raum anders ausdrücken würden – also beispielsweise Gesten, Körperhaltungen, Sprechpausen oder Gesichtsausdrücke.
Nicht nur beim Senden, sondern auch beim Empfangen von Nachrichten sind Emojis relevant: 67 Prozent der deutschen Befragten geben an, dass Emoji dabei helfen, ihre Chatpartner besser zu verstehen. Verständlich: Emoji dienen oft als Scherz- oder Sarkasmusmarker und ‘entschärfen’ so Aussagen, die andernfalls negativ aufgefasst werden könnten, respektive andersherum. Dazu passend geben die deutschen Befragten gegenüber Discord an, Emoji am häufigsten beim Scherzen (88 Prozent), beim Verbreiten positiver Nachrichten (84 Prozent) und zum Flirten (72 Prozent) zu nutzen.
Emoji sind Ergänzungen, kein Ersatz
Das Urteil der Plattform ist daher wenig überraschend: Emoji sind wichtige Bestandteile digitaler Kommunikation. Discord ist einer der wenigen Chatdienstleister, die derzeit auch eigene Emoji auf Servern einbauen lässt (und das gewinnbringend monetarisiert), der Dienst hat an dieser Aussage also natürlich auch ein wirtschaftliches Interesse. “Auf unserer Plattform beobachten wir, dass Emojis bei unseren Nutzern immer beliebter werden. Wir wollen deshalb verstehen, wie sich die Menschen, die Emojis in ihrer Kommunikation verwenden, dabei fühlen und worin sie das größte Potenzial sehen“, so Nicole Brendis, Director of Consumer Product Marketing bei Discord. „In der Gen Z sehen wir ein starkes Verlangen nach Emojis, die nicht nur unsere Emotionen bestmöglich darstellen, sondern auch tiefere und authentischere Verbindungen ermöglichen.“ Letzteres Statement ist linguistisch betrachtet dann durchaus auch etwas zu hoch gegriffen. Auf Authentizismus zu verweisen suggeriert, schriftliche Kommunikation ohne Emoji würde es an Kommunikationsfunktionen mangeln. Dass das nicht der Fall ist, dabei sind sich Linguist*innen relativ einig. Emoji sind nicht der erste und definitiv nicht der einzige Mechanismus, den Menschen im Schriftverkehr nutzen, um Kommunikationsmittel aus einer Face-to-Face-Interaktion zu übertragen. Tatsächlich fangen diese “Ausgleichsmittel” auch nicht erst mit digitaler Kommunikation an. Die Internetlinguistik Gretchen McCulloch etwa beschreibt in ihrem Buch Because Internet ähnliche Mechanismen auf alten Postkarten und sogar Telegrammen, etwa Ellipsen (nicht geometrische Formen, sondern solche hier: …) am Ende eines Satzes, um Pausen anzudeuten. Es dürfte jedoch unbestritten sein, dass Emoji aktuell die am meisten genutzten Mittel sind, die solche semantischen Funktionen im schriftlichen Raum tragen. Dass sie allerdings nicht die einzigen sind, sieht man oft bereits wenn man einen Blick ins eigene E-Mail-Postfach wirft: Dort dominieren heute immer noch die aus Satzzeichen und Buchstaben zusammengesetzten Emoticons wie :). Tatsächlich haben Studien ergeben, dass diese durchaus auch in Arbeitsumfeldern eine gewisse Akzeptanz erreicht haben. Manche Mailprogramme wandeln diese jedoch mittlerweile in passende Emoji um, was auf Dauer zu einer Verschiebung bei der Akzeptanz und der Nutzung führen könnte.
Potenzial für Linguist*innen
Auf dem Discord-Blog stellt der Dienstleister noch einige weitere interessante und durchaus von der Wissenschaft gedeckte Thesen auf, etwa dass die Art, wie die jüngeren Generationen chatten, durchaus auch deren Eltern beeinflusst und damit die Nutzung von Emojis als Marker von real empfundenen Emotionen bei diesen zunimmt. Leider kann man die vollständige Studie nicht einsehen und muss sich mit den ausgewählten, öffentlich gemachten Daten zufriedengeben. Die sind allerdings auch so durchaus interessant. Ausgewertet hat die Studie laut Discord übrigend Neil Cohn, Kognitionswissenschaftler mit Fokus auf visuelle Sprache. Das ist schonmal kein schlechter Ansatz für ein Unternehmen, auch wenn Cohn als “Industriepartner” angegeben wird und somit vermutlich ebenfalls nicht ganz unparteiisch ist. Der Wermutstropfen ist dennoch, dass kein*e Linguist*in als teilhabend an der Studie angegeben wird. Auch wenn die Verwandtschaft mit den allgemeineren Kognitionswissenschaften natürlich absolut gegeben ist, fallen Emoji als Schriftzeichen und Sprachphänomen auf jeden Fall in die Expertise von Semantiker*innen, Schriftexpert*innen und Semiotiker*innen – hoffentlich erweiter die nächste Discord-Emoji-Studie also ihren Expertisenkreis dementsprechend.