Wie Valkyria Chronicles 4 die Diskursverschiebung nach rechts thematisiert
Valkyria Chronicles ist eine japanische Spielereihe, die sich betont leichtherzig mit Kriegsverbrechen und täglicher Diskriminierung auseinandersetzt. Das ist heikel, und dass es nicht immer gut funktioniert, ist bei dieser explosiven Mischung an Konzepten nicht überraschend. Über das Für und Wider habe ich in einer journalistischen Rezension des vierten Teils der Reihe auf Polyneux.de bereits ausführlich gesprochen, doch hier möchte ich einen Punkt beleuchten, der mir tatsächlich sehr positiv aufgefallen.
Gefährlicher Geschichtsrevisionismus
Im fiktiven Europa von Valkyria Chronicles existieren Darcsen. Das sind dunkelhaarige, weiße Menschen, die die Ureinwohner des fiktiven europäischen, zum größten Teil von anderen weißen Menschen bewohnten Kontinents darstellen, auf dem die Spiele stattfinden. Diese Darcsen werden von vielen ihrer Mitmenschen für eine Legende gehasst: Sie sollen die Valkyrur, eine sagenhafte, ausgestorbene Kriegernation ausgelöscht haben, die vielen Nationen Europas gleichsam als Götter wie als Vorfahren verehrt werden. Als ein faschistisches Imperium im ersten Teil von Valkyria Chronicles beginnt, Europa zu erobern, deportiert es alle Darcsen in Arbeitslager, in denen sie zu Tode geschuftet oder direkt hingerichtet werden sollen. Die Parallelen sind klar: Das Imperium die Nationalsozialisten, die Darcsen jüdische Menschen, die ganze Aktion eine Parabel auf den Holocaust und eine Art Dolchstoßlegende. Man könnte das Setting durchaus als geschmacklos bezeichnen. Und obwohl das Imperium ganz klar als die Bösen identifiziert werden und sich die Legende um die Gräueltaten der Darcsen im Verlauf des Spiels als unwahr herausstellt, ist der Antisemitismus auch in den eigenen Reihen keine Seltenheit: Mehrere Mitglieder von Squad 7, der spielergesteuerten Militäreinheit, verfügen über die Charaktereigenschaft “Darcsen Hater”. Diese lässt ihre Statuswerte sinken, wenn sie sich in der Nähe eines Darcsen aufhalten.
Valkyria Chronicles 4 spielt zeitgleich mit den Ereignissen des ersten Teils, in einem ganz anderen Teil des europäischen Kontinents. Auch in Squad E, dem hier gesteuerten Trupp, sind Darcsen vorhanden. Ebenso wie jene, die an die Legende der Valkyrur glauben und der Meinung sind, die Darcsen wären an deren Untergang Schuld. Nur, dass deren Charakterzug nicht mehr “Darcsen Hater”, sondern “Darcsen Discriminator” heißt. Der Effekt ist exakt derselbe, doch wenn er zum Tragen kommt, spricht die entsprechende Figur keine Beleidigung gegenüber Darcsen mehr aus, sondern murmelt einen Satz, der heute geradezu ein Insiderwitz unter antifaschistisch denkenden Menschen geworden ist.
“I’m no racist, but…”
Aus dem Hassenden ist ein Diskriminierender geworden. Vom Kraftausdruck zum geradezu bürgerlich klingenden Fachbegriff, vom offenen Zurschaustellen des eigenen Hasses zur Äußerung einer “Besorgtheit” – Die Symptome wirken schmerzlich bekannt. Valkyria Chronicles 4 zeigt eine Diskursverschiebung auf, die wir so überall um uns herum feststellen können. Wenn Menschen mit Ausländerhass sich hinter dem Begriff “Asylkritiker” verstecken und sich mit diesem Label sogar noch als “Stimmen der Vernunft” profilieren können, dann ist das schlecht. Für die Menschen, die das Opfer dieser Intoleranz sind insbesondere, aber auch für den Diskurs, der um so wichtige Themen wie Asylpolitik gehalten werden muss. Wenn Hass und Intoleranz nicht mehr als solche betiteln werden können, dann sind sie von legitimen Positionen wie Forderungen nach Abschaffung ineffektiver bürokratischer Prozesse oder menschlicheren Aufnahmeverfahren nur noch schwer auseinanderzuhalten. Und genau das ist es schließlich, was Rechte bezwecken – als Menschen mit legitimer Meinung zu wirken statt als intolerante Rechtspopulisten. In Valkyria Chronicles endet die schreckliche Situation der Darcsen mit der Offenbarung, dass die Dolchstoßlegende nichts anderes als eine Verfälschung der Geschichte war. Den Diskurs zurechtzurücken ist dennoch auch in Gallia keine einfache Sache. Nehmen wir uns ein Beispiel an Valkyria Chronicles 4s plakativer Darstellung von salonfähig gewordenen Rassismus und wehren uns schleunigst dagegen, rassistische und antisemitische Positionen in unser Diskursinventar aufzunehmen.
Endlich kam ich dazu, nachzuschauen: auf Japanisch ist der Begriff beide Male gleich, ダルクス嫌い. Die Nuance kommt wirklich nur aus der Übersetzung.