Game Studies: Wie zitiere ich eigentlich – und was?
Heute möchte ich einen Bereich ansprechen, der in jeder Art der Forschung und damit auch in den Game Studies wichtig ist – Quellenarbeit. Mehr als einmal stand ich selbst vor der Frage: Wie zitiere ich eigentlich richtig? Denn anders als in fest abgesteckten Feldern wie etwa bei einer literaturwissenschaftlichen Arbeit ist es manchmal gar nicht so einfach, die Bibliographie eines Game Studies-Papers zu schreiben. Vielleicht hilft diese Übersicht ja, einige Fragen zu beantworten, bevor sie sich stellen.
Schritt 1: Die Primärquelle
Brot und Butter eurer Arbeit oder eures Artikels. Das Buch. Der Film. Das Spiel. Das Videospiel, von dem euer Werk handelt, ist der sogenannte Primärtext (natürlich dürfen das auch mehrere sein). Schreibt ihr wissenschaftlich, so gilt es, egal in welcher Fachrichtung, vor allem ein wichtiges Grundkonzept zu beachten: Das der Reproduzierbarkeit. Keine Betrachtung, keine Studie ist ernst zu nehmen, die sich nicht so transparent wie möglich macht und dem Leser die Chance gibt, die Ergebnisse nachzuvollziehen. Einfachster Weg hierzu ist anständiges Zitieren, denn dann kann jeder Leser sofort nachsehen was woher stammt, sofern er Zugriff auf die zitierten Werke hat.
Leider ist es nicht ganz so einfach, ein Spiel zu zitieren wie ein Buch. Romane etwa sind schnell niedergeschrieben: Joseph Conrad, Herz der Finsternis, der Neudruck von 2001, Dingsverlag, Seite 67. Filme funktionieren ähnlich: hier lassen sich bestimmte Szenen sekundengenau von der Disk zitieren.
Spiele machen da nicht mit. In Stunde 28 von The Witcher 3: Wild Hunt befindet sich ein Spieler noch in Velen, während ein anderer vielleicht gerade Novigrad per Schiff verlässt. Bestimmte Stellen lassen sich ebenfalls schlecht angeben: “In der Nebenquest mit dem Werwolf” passiert was? Tötet Geralt besagten Werwolf oder lässt er ihn leben? Welche Auswirkungen hat das vierzig Stunden später vielleicht, die sich dann nicht mehr nachvollziehen lassen?
Noch spaßiger wird es, wenn ein Spiel in mehreren Versionen kommt. Wenn ich über Batman: Arkham Knight spreche, fließt dann der technische Aspekt stark in meine Meinung mit ein, weil ich die katastrophale PC-Version gespielt habe, oder spreche ich über die PS4-Version? BioShock: Remastered oder doch die Classic-Version, und macht das überhaupt einen Unterschied? Kann ich mit der DOS-BOX emulierten Version von Good Old Games einen adäquaten Artikel über Sid Meier’s Pirates! von damals schreiben? Sollte Diablo 3 auf Konsole als komplett anderes Spiel gelten oder kann ich querverweisen auf die PC-Version?
Ihr seht, bei Videospielen kommt es darauf an, besonders viele Details zu beachten. Deswegen gilt hier besonders: Genau arbeiten. Jede Bibliographie sollte neben dem genauen Titel mit allen Zusätzen auch die Plattform enthalten, auf der gespielt wurde. Entwickler, Publisher und Veröffentlichungsjahr gehören natürlich ebenfalls rein. Da sich digitale Medien gerade heutzutage durch Patches und Fixes oft verändern, sollte auch die Spielversion angegeben werden, und natürlich müssen auch Addons und DLC vermerkt werden (Hinweis: weitere Zitiervorschläge finden sich etwa im Manifest des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele, Punkt B.5, auf den hiermit freundlich hingeweisen sei). So etwa:
BioShock: Remastered. 2016 [Original: 2007]. In “BioShock Collection”. Entwickler: Irrational Games. Publisher: 2K Games. PC/PS4/Xbox 1 [Original: PC/PS3/Xbox 360]. Version 1.12.
Je nach Vorgaben eurer Uni kann sich die Optik ändern, ohne dass ihr den Inhalt anpassen müsst. Das kann die Ordnung der Informationen betreffen oder Kleinigkeiten wie Kursivierungen und ob ihr Informationen mit Punkt oder Komma trennt. Nach dem Stilblatt der Englischen Sprachwissenschaft an der JGU Mainz, Stand April 2021, müsste die Zeile oben etwa so aussehen:
Irrational Games (2016, [Original 2007]) “BioShock: Remastered”. In: BioShock Collection. Publisher: 2K Games. PC/PS4/Xbox 1 [Original: PC/PS3/Xbox 360]. Version 1.12.
Das ist eine gute Grundlage. Verzwickter wird es, wenn bestimmte Geschehnisse, bestimmte Orte oder Dialoge im Spiel zitiert werden sollen. Wie garantiere ich Reproduzierbarkeit, wenn die Chance besteht, dass ein anderer Spieler diesen Moment niemals sieht, etwa weil ein NPC an anderer Stelle gestorben ist, der bei mir noch lebte? Die Antwort ist unbefriedigend: es gibt nicht wirklich eine. Es hilft, eine Stelle exakt zu beschreiben, dies führt jedoch zu genau der Art an akademisch-übergenauem Schreiben, die einen Laien gerne einmal abschreckt: Absätzelange Erklärung eines einzelnen Spielmoments, der dann plötzlich gar nicht mehr spannend oder spaßig ist.
Alltagstauglicher wird es, zitiert man ein Video. Idealerweise hat man das selbst aufgenommen und hochgeladen, kann also seine Verfügbarkeit zumindest bis zum Zusammenbruch von YouTube garantieren und es eventuell sogar an andere Interessierte weiterleiten. Ist das nicht möglich, muss man auf öffentliche Let’s Plays zugreifen. Das ist legitim; in den Weiten des Internets findet sich ziemlich sicher zu jedem Moment ein passendes Video. Das Hauptproblem liegt auf der Hand: Neben eventuellem Gequassel des Spielenden, das man nicht haben möchte, kann das Video jederzeit verschwinden, ohne dass man etwas dagegen tun könnte. Eine richtig befriedigende Lösung ist das also auch nicht. Dennoch: Videos lassen sich hervorragend reproduzieren. Einfach eine genaue Zeitmarke und einen Link angeben und schon kann jeder Leser genau sehen, was ihm gezeigt werden soll:
Ratchet & Clank (2016): RYNO Demonstration. 0:17. [https://www.youtube.com/watch?v=eoKMtXOc68Y] (zuletzt aufgerufen am 09.08.2017)
Schritt 2: Sekundärquellen
Ein Forschungsobjekt zu haben ist wichtig, aber nicht alles. Wer schreibt, der kommt nicht umhin, sich auf andere Schreiber und ihre eventuellen klugen Äußerungen zu beziehen. Wenn es sich dabei um renommierte Forscher und anerkannte Theorien handelt, ist das schön: Die zu zitieren ist keine große Sache. Da die Erforschung von Videospielen aber ein so junges Thema ist und die meisten Erkenntnisse bisher eher von jungen Leuten auf Webseiten und Blogs getroffen wurden, stehen wir vor einem Problem: Wer darf eigentlich zitiert werden, wer nicht, und nach welchen Kriterien sollte man Webseiten ausschließen dürfen?
Hier kann ich keine befriedigende Antwort geben. Ich selbst würde niemals eine Webseite nach ihrem Titel ausschließen, wenn der Artikel selbst gut recherchiert und sauber geschrieben ist. Trotzdem macht sich sicher so manch einer Gedanken, ob eine Webseite mit dem Namen languageatplay.wordpress.com genauso zitierwürdig auf den Dozenten wirkt wie etwa zeit.de. Das hängt sicher vom Lehrpersonal ab. In Notfall hilft also: Fragen! Schreibt ihr für eine Publikation und nicht mehr für eine Bewertung an der Uni, so könnt ihr euch sicher mehr Freiheiten erlauben. Hier gilt: Mit entsprechender Begründung darf so gut wie alles zitiert werden, und wenn der seltsame Blog mit der WordPress-Domain eben einen guten Punkt macht, dann sollte er auch angegeben werden können.
Ein paar Punkte müssen solche Webseiten natürlich dennoch erfüllen: Nach deutschem Recht braucht ohnehin jeder Blog ein vollständiges Impressum (in dem auf jeden Fall der vollständige Name angegeben sein muss), und das kommt dem Zitierenden sehr zugute. Denn egal, wie gut ein Artikel ist: Unter Nicknamen zu zitieren wirkt of unseriös. Wenn also der Text nicht von einem namentlich angegebenen Gastautor stammt und auch sonst nirgendwo in den Metadaten der Autorenname vorkommt, hilft oft ein verzweifelter Blick ins Impressum. Das Zitieren eines anonym veröffentlichten Textes ist unter bestimmten Voraussetzungen sicher auch möglich; dann aber sollte er eher als eine ergänzende Quelle benutzt werden, nicht als der theoretische Unterbau, auf dem die eigenen Aussagen fußen.
Ins Zitierverzeichnis sollten solche Quellen natürlich ebenfalls so reproduzierbar wie möglich eingetragen werden. Dazu gehört vor allem der Direktlink, aber auch das Datum, an dem er zuletzt aufgerufen wurde; so verhindert man, sich rechtfertigen zu müssen, wenn der Artikel bei Abgabedatum der Hausarbeit plötzlich nicht mehr online aufrufbar ist. Manchmal kann es durchaus auch sinnvoll sein, sich eine Offline-Version des Artikels über Dienste wie Pocket oder die Print to PDF-Funktion eures Druckerprogrammes zu speichern!
Eine Zeile des Literaturverzeichnisses könnte dann etwa so aussehen:
Wagner, Pascal. 25. Juni 2017. Wie Future Unfolding involviert und erzählt. languageatplay.de. [https://languageatplay.de/2017/06/25/wie-future-unfolding-involviert-und-erzaehlt/] (zuletzt aufgerufen am 09.08.2017)
Nützliche Quellen
Auch wenn ich euch hier keine erschöpfende Liste an nützlichen, spielebezogenen Quellen liefern kann, so will ich euch doch zuletzt einige Anregungen hierlassen. Wenn ihr weitere Ideen habt oder der Meinung seid, eure eigene Seite sollte hier stehen, dürft ihr natürlich sehr gerne einen Kommentar dalassen!
Praktische Quellen für verlässlich recherchierte Artikel über Spiele sind zum Beispiel:
ArchaeoGames
Archaeogaming (engl.)
Bogost (engl.)
Click Nothing (engl.)
GameJournal
GameStudies.org (engl.)
Kinephanos (engl./franz.)
Language at Play 😉
Paidia
Psychology of Video Games
Spielbar
Spielkritik
Ontological Geek (engl.)
Unwinnable (engl.)
Video Game Tourism
Videospielgeschichten
Unser AKGWDS hat unter gespielt.hypotheses.org auch ein paar Vorschläge erarbeitet:
Siehe Punkte B.5 im Manifest: „Die Quelle ist referenzierbar.“
Guter Hinweis. Werde ich verlinken und auch die Angabe von Patch/Versionsnummer/DLC in meine Beispiele mit aufnehmen. Danke!