Politischer Strukturpessimismus und digitale Monarchien

Aurelia Brandenburg

Aurelia Brandenburg ist Historikerin mit Schwerpunkt auf Mittelalter und Digital Humanities. Sie bloggt außerdem manchmal auf ihrem Blog geekgefluester.de über Popkultur und ist als @hekabeohnename auf Twitter zu finden.

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5 Antworten

  1. Lenny sagt:

    Ich frage mich nach dem lesen deines Textes, ob es überhaupt Spiele gibt, die nicht nach diesem Muster funktionieren. Auf die Schnelle fällt mir nichts ein. Es ist zwar nicht immer etwas Staatenähnliches was entweder für oder gegen mich arbeitet, aber doch eine größere Organisation (salopp formuliert) und da heißt es entweder ich gegen die vermeintliche Übermacht oder ich als Erfüllungsgehilfe eines größeren Ganzen. Was ja auch logisch ist, denn die Identifikation läuft ja nicht über etwas abstraktes und unpersönliches wie eine Nation. Es funktioniert ja in den allermeisten Filmen über eine einzelne Person. Nicht nur im Spiel, auch in Filmen/Serien oder Büchern.
    Und ich weiß auch gerade nicht, wie ein Spiel anders funktionieren kann. Ich kann ja schlecht eine Gruppe spielen. Selbst in Rollenspielen wie Final Fantasy oder Mass Effect spiele ich ja auch nur eine Person. Ebenso in einem Aufbaustrategiespiel wie Anno bin ich derjenige der über die Geschicke entscheidet und wieder in Konflikte geworfen wird. Es ist wohl ein Match made in Heaven or Hell, dass die Struktur von Spielen und den Themen die sie in den allermeisten Fällen ansprechen, so gut zusammenpassen.

    • Ich würde gar nicht mal denken, dass es nicht möglich ist, in einem Spiel eine ganze Gruppe zu spielen. Gerade Spiele wie z.B. Fire Emblem oder Banner Saga leben auch davon, dass ich als Spielerin mein ganzes Team aufbaue und mit allen Einzelpersonen genauso spiele wie mit der Gruppe als Ganzes und dem/der Hauptfigur. (Gerade die neueren Fire Emblems sind da ein schönes Beispiel, weil ich da ja auch noch diese Romance-Funktionen habe und dadurch alle Teammitglieder bis zu einem gewissen Grad auch unabhängig von meiner Spielerfigur spielen kann.) Beide fallen zwar auch wieder in das Schema, das ich in meinem Text aufmache, sind aber denke ich auch schöne Beispiele, dass der narrative Rahmen von “Geh und rette die Welt vor Übermacht X” eben durch dieses Zuschneiden darauf, dass sich alles um mich als Spielerin dreht, verstärkt wird und es nicht nur um einen Mythos eines einzelnen Helden geht. Und ich würde auch das Phänomen an sich nicht einmal als so alternativlos sehen, auch wenn die Gegenbeispiele rar sind. Ich muss z.B. gerade an Divinity: Dragon Commander denken, das das Muster insofern bedient als dass die Welt in dem Spiel quasi brennt und ich als Spielerin dann den unehelichen Sohn des verstorbenen Kaisers spiele, der den Bürgerkrieg zwischen seinen Halbgeschwistern beenden will, indem er sie einen nach dem anderen besiegt, aber da wird mir ein Thronfolgekonflikt präsentiert, der nur einen Teil einer sonst funktionierenden Welt darstellt. (Jetzt kann man natürlich streiten, wie weit dieser interne Konflikt mit den korrupten Thronfolgern, die sich lieber bekriegen als für Frieden zu sorgen nicht doch das Muster erfüllt, aber selbst dann ist es ein abgeschwächtes Beispiel.) Und mir fallen spontan auch noch andere Spiele (v.a. Visual Novels) über Politik und Gesellschaft/Eliten ein, die sich diesen Mustern komplett oder teilweise verweigern, weil sie den Heldenmythos eines Dragon Age oder Witcher gar nicht erst aufmachen und stattdessen ihre Geschichten ganz anders erzählen. Damit vergleiche ich natürlich ein bisschen Äpfel mit Birnen, denn es ist etwas komplett anderes, ob sich eine Handlung eines Visual Novels um eine Liebesgeschichte dreht und nebenher passieren noch irgendwelche dramatischen politischen Sachen oder ob Geralt von Riva in einem Witcher 3 durch die Open World zieht und Ciri retten will, aber ich will damit vor allem darauf hinaus, dass es Alternativen geben könnte oder die entwickelt werden könnten, wir nur gerade im AAA-Bereich sehr stark darauf konditioniert wurden, dass man kaum anders Geschichten erzählen kann. (Was auch wieder damit zusammenhängt, dass in Spielen so oft Gewalt eine quasi unausweichliche Mechanik ist etc.)

  2. Marcus Kästner sagt:

    Das Beispiel aus CK2 ist in sich stimmig, verengt aber die Pluralität der Handlungsoptionen auf ein ganz bestimmtes Muster (“andere mit Intrigen […] übertrumpfen, oder ständig Krieg führe[n]”), um daraus das Fazit (“Niemand meint es gut, alle kümmern sich nur um ihren Vorteil”) abzuleiten. Diese bestimmte Spielweise führt also erst dazu, prekäre, instabile Strukturen zu schaffen, die zu Aufständen und Kriegen führen.

    Stattdessen können Stabilität und Wachstum (so das denn überhaupt als eigenes Spielziel definiert wird!) u.a. durch clevere Heiratspolitik, Zusammenarbeit mit den Peers und Unterstützung durch die Kirche erreicht werden. Wenn dann doch plötzlich eine Übermacht von außen angreift, die Bündnispartner mit ihren Truppen zu Hilfe eilen und der Papst 200 Gold spendiert, um die nötigen Söldner zu bezahlen, dann zeigt sich eben genau diese Bestärkung von Vertrauen in Strukturen.

    Ich würde daher CK2 als absolutes Gegenteil dessen verstehen, was Du in Deinem Artikel zu Recht in vielen anderen Spielen bemängelst.

    • Es gibt eine größere Bandbreite an Möglichkeiten in CK2, ja, allerdings fördert das Spiel die Strategie, alles und jeden zu beseitigen, stärker als die, Bündnisse zu schließen, zumal ich die Heiratspolitik als Gegenbeispiel ausklammern würde, weil die ja auch den Zweck hat, vielleicht irgendwann Ländereien erben oder erobern zu können, wenn die andere Dynastie in der Krise steckt. Natürlich hängt der Grad des Pessismismus teilweise bei CK2 noch immer ein wenig von der persönlichen Spielweise ab, aber egal, wie ich meine Dynastie herrschen lasse, ich brauche eine Strategie, mit der ich mir mein eigenes Umfeld bei Laune halte. Ob ich mich mit dem Papst oder anderen Adeligen anfreunde, um dann in der unausweichlichen Krise Geld und Soldaten zu haben, oder ob ich all meine Feinde vorher schon ermorde, ist da zweitrangig, weil der Druck, zu handeln und mich um meine eigenen Vasallen zu kümmern, damit sie mir nicht in den Rücken fallen können, ganz automatisch vom Spiel aufgemacht wird. (Und der Zweck jeder Variante ist eben immer der, dafür zu Sorgen, dass sich eben nicht alle gegenseitig zerfleischen und dadurch das Reich oder den gesamten Kontinent instabil machen.)

  1. 28. Juli 2019

    […] Politischer Strukturpessimismus und digitale Monarchien (Aurelia Brandenburg) […]

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