Rassismus, Sexismus, Fatshaming: “Schwarzer Humor” in Spielen
Schwarzer Humor ist das Markenzeichen, der unique selling point, so manch einer Spielereihe. Daedalics Deponia ohne Witze über Obdachlose und Pädophilie? Portal ohne Fatshaming durch GLaDOS oder Wheatley? Borderlands ohne Antagonisierung von Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung? Undenkbar!
Auch wenn ich zynisch klinge: Eigentlich habe ich alle hier aufgeführten Spiele sehr genossen, und auch über die meisten Witze impulsiv gelacht. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass manch ein Gag böser ist als der andere, manch einer Menschen aktiv verletzt, während andere, harmlosere, eher familientauglich bleiben. Doch reden wir dann noch von “schwarzem” Humor? Kann es einen gesellschaftsverträglichen schwarzen Humor überhaupt geben? Betrachten wir einige gesellschaftlich verbreitete Aspekte von Humor und schauen uns dann ein Beispiel von schwarzem Humor in Videospielen und dessen ganz akute Probleme an.
Inhaltswarnung: Dieser Text enthält kommentierte, kontextualisierte Darstellungen von Rassismus, Kolonialismus, Sexismus und Fatshaming in Schrift und Bild.
Wie funktioniert überhaupt ein Witz?
Warum lachen wir? Weil wir etwas ‘witzig’ finden. Ein Witz, das ist ein sprachliches Mittel zur Erzeugung von Humor. Meist wird dabei durch eine Erzählung ein Kontext erweckt, der möglichst spät durch einen erleuchtenden Moment – die Pointe – in einen anderen Kontext umgeschlagen wird. Alles, was zuvor im ersten Kontext sinnvoll erschien, wirkt plötzlich unpassend, ulkig, anstößig oder böse und damit komisch: Wir lachen. Ursprünglich ist diese Katharsis evolutionär sogar höchst sinnvoll: Mit der plötzlichen, unerwarteten Auflösung einer verunsichernden oder gefährlichen Situation kommt die spontane Erleichterung, ein Ablassen der Anspannung durch Lachen. In der Comedy, besonders beim Film, wird diese niemals altwerdende Formel als pull back and reveal bezeichnet: In Nahaufnahme tut eine Figur etwas, das normal erscheint, und wenn die Kamera zurückzieht und ein weites Bild zeigt, wird die Situation komisch, weil die Person keine Hose trägt oder auf einer riesigen Gummiente reitet. Pull back and reveal funktioniert auch bei schwarzem Humor: So kann aus einer zunächst normal wirkenden Situation oder Frage durch den entsprechenden, plötzlich eingeführten Kontext ein sehr böser Witz werden. Der folgende, rassistische Witz stammt vom Comedian Willy Nachdenklich und seiner Facebookseite VONG. Ich habe ihn beispielhaft ausgewählt, da er Rassismus produziert, ohne akute beleidigende Worte zu benutzen, die ich hier nicht reproduzieren möchte; Der Rassismus des Witz ergibt sich stattdessen aus seinem Kontext. Die kreative Ortographie der “Vong-Sprache” habe ich entfernt, um nicht vom eigentlichen Problem des Witzes abzulenken.
“Ich mache mir einen Tee, willst du auch einen?”
“Ich hätte gern einen Schwarzen.”
“Oh, ich auch, dann kann der uns immer Tee machen.”
Statt auf schwarzen Tee wie Person 1 verweist Person 2 plötzlich auf afroamerikanische Sklaven – das ist böse und unerwartet, ein klassischer Fall von “schwarzem Humor”. Wir lachen, oder sind vor den Kopf gestoßen.
Aber wovon hängt es ab, ob wir lachen oder vor den Kopf gestoßen sind?
Deponia und der Orientalismus
Ein gutes Beispiel, um zu zeigen, wo und wie diese Grenzen verschwimmen können, ist Goodbye Deponia, der dritte Teil von Daedalics Point & Click-Adventure-Reihe. Dort muss Protagonist Rufus einem Drehorgelspieler ein Äffchen besorgen, das zur Musik tanzt – ein uraltes Klischee, das in unzähligen Medien über den ‘Orient’ verarbeitet wurde. Dafür muss Rufus das Leben von June, der einzigen schwarzen Frau im ganzen Spiel ruinieren, indem er ihr Haus und ihre Beziehung zerstört. Anschließend verkauft er sie dem Orgelspieler, für den sie ab dahin in einem Affenkostüm tanzen muss. Die Konnotationen sind klar: der Verkauf einer schwarzen Figur in die Sklaverei und dazu das Affenkostüm, das gleichzeitig auf die ‘primitive orientalische’ Kultur anspielt und die bis heute nicht überall komplett abgeschaffte pseudowissenschaftliche Meinung, schwarze Menschen wären evolutionär näher an Affen als weiße, eine der faktischen Begründungen für die Legitimität von Sklavenhaltung. Die ohnehin extreme Sexualisierung Junes fällt da schon fast nicht mehr ins Gewicht. Fast.
Im selben Spiel verkauft Rufus außerdem Kinder an einen Pädophilen. Leider wird nichts davon in Goodbye Deponia noch einmal gesondert erwähnt: Nicht kritisiert, nicht einmal später wieder aufgegriffen und in einer Folgesituation, die vielleicht zu Lasten Rufus’ ginge, verarbeitet. All das sind bewusst böse Wege der Rätsellösung, einmalige Wegwerfwitze. Sie sollen über ihren Tabubruch lustig wirken: Ein klassischer Fall von Repetition ohne Einordnung. Und Repetition ist keine Satire. Damit meine ich nicht die Wiederholung einer Pointe, wie sie bei Stand Up-Comedy oder Bühnenshows gerne genutzt wird, sondern die Reproduktion von problematischen Inhalten ohne jeglichen einordnenden Kommentar. Allein durch die Wiederholung einer schlimmen Sache vor Publikum und den dadurch entstehenden Tabubruch soll ein humoristischer Effekt erzeugt werden. “Darf er das?”-Moderator Chrystalls Schwanger oder Dick? soll nicht der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und sie aufgrund ihres Umgangs mit übergewichtigen Menschen vor Scham auflachen lassen. Schwanger oder Dick? soll dicke Menschen möglichst lächerlich zeigen, weil sie dick sind. Auch der oben genannte Witz ist hier ein gutes Beispiel: Das Sklaventum wird hier nicht eingeordnet und mit einem Tritt gegen Sklaverei pointiert, sondern mit einem Stereotypen reproduziert: Die Person of Colour als klassischer “Hausdiener”, der den Tee kocht und serviert. Rein in diesem Sinne ist es also kein “guter Witz”, sondern in der Tat ein “böser” – die Frage stellt sich jedoch, ob sich dieses Maß bei schwarzem Humor überhaupt anwenden lässt. Darauf kommen wir später zu sprechen.
Als Antiheld gescheitert
Nun erst einmal zurück zu Deponia: Hier ist die Frage, ob diese Häufung an unkommentierten Reproduktionen von Stereotypen und Rassismen in seiner Heftigkeit eine solche Zuspitzung erfährt, dass man es als Satire bezeichnen könnte, oder ob hier schlichtweg Rassismus, Sexismus und Pädophilie wiedergekäut werden, um den Schockfaktor auszunutzen und mithilfe des “Darf er das?”-Effekts einen Lacher zu provozieren. Medienkritisch lässt Goodbye Deponia ob seines völligen Verzichts auf einordnende Kommentare oder Konsequenzen kaum eine andere Interpretation als letztere zu, aber dennoch wird zur Verteidigung des Spiels gerne das Argument der Satire angeführt, sei es aus gutem Willen den Personen gegenüber, die das Spiel entwickelt haben, oder aus der Unbedarfheit derer, die Spiele nicht im Kontext von Kultur und Gesellschaft sehen (wollen). Dass Rufus ein schlechter Mensch sei und man das eben irgendwie im Spiel ausdrücken müsse, lautet oft das Argument. Sicher, Rufus ist ein schlechter Mensch, und dafür bekommt er am Ende des Spiels auch die finale Quittung in Form seines vermeintlichen Todes. Dieser ist jedoch zum einen viel zu heroisch selbstaufopfernd, um wirklich als Quittung gelten zu können, und wird zum anderen mit dem nachgelieferten vierten Teil der Deponia-Reihe Doomsday auch schon wieder negiert. Doch selbst wenn dem nicht so wäre, wenn Goodbye Deponia für sich stünde, wäre das als Argument nicht genug. Hätte man wirklich aber Rufus kritisieren wollen, dann hätte man die Gags zu seinen Ungunsten gemacht, nicht zu denen seiner Opfer. In jeder derakuten Situationen, in denen er sich schrecklich verhält, steht schließlich immer noch Rufus als Gewinner dar. Die in die Sklaverei verkaufte Frau hingegen steht im Spotlight des Gelächters. Das ist das eigentliche Problem: nicht, einen rassistischen Charakter zeichnen zu wollen. Das klappt in anderen Medien sehr viel besser und und pointierter, etwa im 2019 vollendeten Life is Strange 2. Nein, das Problem ist, den Rassismus auf Kosten der Marginalisierten als einen von vielen “Wegwerf-Gags“ zu instrumentalisieren, um so ein undefiniertes Gefühl von Charakterschwäche zu erzeugen. Rassismus, Sexismus, Homophobie und alle anderen ausgrenzenden Formen des Hasses sind zu aktuelle, aktiv diskutierte Probleme, um sie in eindeutig für die Spielenden inszenierter Art als Witz zu benutzen, um ein so unreflektiertes Fazit über das Verhalten einer Figur zu ziehen.
“Sie hätte auch weiß sein können”
Ebenfalls zur Verteidigung genannt wird in diesem Kontext – exemplarisch für viele weitere – ein Scheinargument der Gleichberechtigung. “Man darf ja auch Weiße in Affenkostüme stecken, warum soll man das mit Schwarzen nicht auch tun?” ist die wohl am häufigsten gehörte Gegenrede gegen Rassismen aller Art, und tatsächlich ist genau das der erste Kommentar des zum Schreibzeitpunkt dieses Artikels ersten Threads im Steam-Forum, der sich über jenen Rassismus beschwert:
“Really?! Rufus essentially sells the poor black girl into slavery?! And as who, a MONKEY?! Are you ****ing kidding me? That is just poor taste and awful. I am ashamed to have liked the series where the writers thought such a situation is funny or appropriate.”
“Would it be better if she was white?”
Eine solche Antwort kann jedoch überhaupt nur im Vakuum eines kontextlosen Witzes relevant oder überhaupt ein aufrichtiges Argument sein, den es so natürlich nicht geben kann. Die Pointe am Schwarzen im Affenkostüm ist nicht der Mensch, der als Tier verkleidet ist, sondern die Evozierung des Klischees vom “primitiven Schwarzen” – demselben rassistischen Stereotypen, der auch beim “Hausdiener”-Witz zum tragen kommt. Ein Weißer im Affenkostüm weckt nicht die gleichen Assoziationen und ist deswegen nicht auf die gleiche Weise problematisch; die beiden Fälle sind absolut nicht vergleichbar. Aus genau diesem Grund wäre ein Weißer im Affenkostüm auch nicht so ‘potentiell witzig’ wie ein Schwarzer: Es gibt keinen gesellschaftlich verankerten Stereotypen zu wecken. Damit greift hier die Definition des schwarzen Humors nicht. Und eben deswegen wird dieser Witz ja so auch nicht gemacht: Niemand würde lachen.
Punching up, punching down
Eine Latte, an der gemessen werden kann, ob und wie ein solcher Witz funktioniert, ist die Frage, ob er nach unten oder nach oben tritt. Punching up or down ist ein Konzept aus dem Umfeld der Soziologie, das von einer gesellschaftlichen Hierarchie ausgeht. Diese Existenz einer gesellschaftlichen Hierarchie ist weit verbreitet und von seriösen Forschern gemeinhin akzeptiert, da sie sich ausgesprochen gut direkt an unseren westlichen Gesellschaften beweisen lässt. Es gibt dabei bestimmte Gruppen innerhalb einer Gesellschaft, die bevorteilter und mächtiger sind als andere. Manchmal sind das soziale Klassen (wie etwa in England noch durchaus verbreitet), oft steht diese Einteilung heute jedoch mit Geschlechterbildern, Sexualität und Hautfarben in Verbindung. In patriarchalen, vornehmlich weißen Gesellschaften, die zudem von einer christlichen Kirche historisch geprägt sind, verläuft diese Hierarchie von weiß, cis-männlich, heterosexuell oben zu nichtweiß, cis-weiblich/trans-männlich und queer. All diese Merkmale verlaufen auf einem Spektrum und keins davon ist ein “Killer”, der einen in der Hierarchie sicher hinauf oder hinab befördert. Genauso, wie es cis-männliche weiße Menschen ganz unten gibt (etwa Hartz IV-Empfänger in der deutschen Leistungsgesellschaft) gibt es auch mächtigere cis-weibliche, queere Leute (wie die rechtsextreme Politikerin Alice Weidel), die aufgrund anderer Merkmale wie Geld in der Hierarchie hinab oder hinauf rutschen. Insofern ist diese Theorie notgedrungen verallgemeinernd, sie schließt jedoch weder Einzelfälle aus noch lässt sie sich durch solche invalidieren.
Um nach oben oder unten zu schlagen, muss sich der Witzemacher also ebenfalls irgendwo im Spektrum dieser Hierarchie befinden. Macht er Witze gegen eine Personengruppe, die gemeinhin als “oberhalb” seiner eigenen wahrgenommen wird, so betreibt er punching up. Personengruppen, gegen die so etwas mit ziemlicher Sicherheit immer in punching up resultiert sind etwa Spitzenpolitiker oder Unternehmen beziehungsweise deren Führungsetagen. Hier wird mit einem solchen Macht- und Finanzvorsprung gerechnet, dass keiner der Belächelten irgendeine negative Auswirkung durch den Witz befürchten muss, die über öffentliche, voraussichtlich angebrachte Kritik hinausgeht.
Anders sieht es beim punching down aus. Eine Bevölkerungsgruppe, die gesellschaftlich unter einer anderen steht, kann sich gemeinhin ohnehin nur sehr schwer gegen selbige wehren, weil es ihr an Macht, Geld oder Personenzahl mangelt. Witze nach unten sind deswegen besonders schwerwiegend: Verfestigt sich durch sie eine öffentliche Meinung oder auch nur ein Vorurteil im kleinen Kreis, haben es die betroffenen Personen extrem schwer, dagegen etwas zu tun, und das kann reale Konsequenzen für sie haben. Schwarzer Humor tritt nicht grundsätzlich nach unten, aber größtenteils.
Diese hierarchischen Aufteilung in punching up und punching down erklärt, warum es eben nicht in Ordnung ist, in einem größtenteils von weißen Menschen regierten Land Witze über People of Colour zu machen, und warum es im gleichen Kontext problemlos ist,, wenn weiße Menschen von People of Colour “Kartoffel” oder “Alman” genannt werden, weil sie irgendetwas in ihrer dominanten Kultur begründetes tun, das lustig, dämlich oder sinnlos ist. Letztere schlagen nach oben, während erste nach unten schlagen. Wer jetzt zu rufen geneigt ist “Es gibt aber auch Rassismus gegen Weiße!”: Wenn es in einem Land, in dem mehrheitlich eine nichtweiße Ethnie lebt und regiert, politische oder gesellschaftliche Verfolgung gegen Weiße gibt und verbunden damit Witze über Weiße gemacht werden, dann kann das durchaus Rassismus gegen Weiße sein. Wenn in einer mehrheitlich weißen Kultur Weiße kritisiert werden, egal ob das geschmackvoll passiert oder nicht, dann ist das kein Rassismus, sondern (im Zweifel ohnehin konsequenzlose) Kritik gegen diejenigen Strukturen, die darauf ausgelegt sind, dominante Mehrheiten zu unterstützen und Minderheiten zu marginalisieren. Judith Butler prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der “normativen Gewalt”: Wenn es in einer Gesellschaft normal erscheint, Witze (oder Gewalt) gegen bedrängte Menschengruppen auszuüben, dann bedarf es hierfür keiner Rechtfertigung. Im Gegenzug jedoch wirkt ein Bruch dieser wahrgenommenen Normalität durch Witze von Bedrängten über Mehrheiten oder durch das Verurteilen solcher rassistischer, sexistischer oder klassizistischer Witze wie ein Angriff von außen auf ein als gut und richtig wahrgenommenes Kulturkonstrukt. In diesem Fall verlangen wir unbewusst eine Rechtfertigung, obwohl sie uns eigentlich nicht zusteht. Hierin finden wir auch unsere Antwort darauf, ob schwarzer Humor immer nach unten tritt: Eigentlich nicht grundsätzlich, aber größtenteils. Es ist eigentlich problemlos möglich, geschmacklose Witze über dominante Kulturgruppen zu machen. Diese Witze werden jedoch tendenziell kritischer aufgefasst und weniger verbreitet als Witze gegen Marginalisierte, da der dominanten Gruppe die meiste Deutungs- und Verbreitungshoheit zukommt und sie die humoristisch verpackte Kritik an sich tendenziell eher nicht verbreiten wird.
Hinweise von außerhalb dieser Machthoheiten dahingehend können wiederum zu Trotzreaktionen führen, wie man sie oft von bei Rassismus oder Sexismus ertappten Internetpersönlichkeiten sieht: Man hätte es “nicht so gemeint”, die Betroffenen hätten den Witz “falsch verstanden” oder man wollte gar “bewusst darauf hinweisen, dass es solche Stereotype gibt”. Gern wird auch mit “Das war doch nur ein Witz” die Verantwortung auf die Rezipierenden abgewälzt: Weil diese keinen Humor haben, hätten sie den Witz falsch verstanden. Dabei wird der Eindruck erweckt, ein Witz würde auch unabhängig von seinem Inhalt funktionieren, nämlich über die Cleverness seiner Pointe, die “joke-work” (Ein Begriff, den Siegmund Freud prägte). Diese “joke-work” bildet die Basis für die Auffassung, etwas könne “nur ein Witz” sein: Der diskriminierende Inhalt eines Witzes diene nur als Medium für das Wort- oder Gedankenspiel, das den humoristischen Effekt auslöst, und sei deswegen austauschbar und damit zu vernachlässigen. Dass die im Witz ausgedrückte, unterdrückende Aggression gegen die verballhornte Gruppe Teil der Befriedigung ist, die das Erzählen eines solchen Witzes ausmacht, wird übergangen. Meist geschieht das unbewusst; Der Akt, sich selbst zu betrügen, ist Teil des Witzes. Der fügt sich damit in ein potenziell positives Selbstbild ein, niemand gibt gerne zu, dass er Freude am Hass auf andere Personen hat. Jean-Paul Sartre bezeichnet das als “bad-faith”. Es ist ein Defensivmechanismus, um das im eigenen Kopf so verfestigte Machtverhältnis nicht überdenken, ja, nicht bedenken zu müssen, sondern als Normalzustand etabliert zu halten.
Dieser Selbstbetrug und die Scheinargumente ließen sich nun zugunsten unseres Beispiels Goodbye Deponia vorbringen. Und, aber hier möge man mir gerne gut begründet in den Kommentaren widersprechen, sie halten auch dort nicht stand, wenn man sie einmal analysiert und verstanden hat.
Dieser Artikel erschien in einer früheren Version am 28.Oktober 2019 hier auf Language at Play.
Ludographie
Goodbye Deponia. 2013. Entwickler: Daedalic Entertainment. Plattformen: PC/PS4/Xbox One/MacOS/Linux.
Bibliographie
Billig, Michael. 2001. Humor and Hatred. The Racist Jokes of the Ku Klux Klan. In: “Discourse & Society”, Vol. 12, Issue 3.
Freud, Siegmund. 1991. Jokes and their Relation to the Unconscious. Harmondsworth: Penguin.
Sartre, Jean-Paul. 1948. Portrait of the Anti-Semite. London: Secker and Warburg.
1) Ich bin etwas schockiert, habe selbst nur den ersten Teil der Deponia reihe gespielt, ist aber unter Freunden sehr beliebt, habe auch einen der Entwickler mal im privaten Umfeld getroffen und könnte mir nie vorstellen, dass er soetwas vertritt…
2) schade um die leicht Clickbaitige Aufmachung hier, grundsätzlich gut geschrieben und analysiert, aber im Endeffekt doch nur die Abhandlung von einem Beispiel – mit ein paar, nicht näher betrachteten Erwähnungen und Vergleichen – anstatt einer wirklichen Abhandlung über den Stand ‘in Spielen’ (oder zumindest den im Abriss erwähnten)
Lieber Chris,
danke für deinen Kommentar. Wieviel Wille und wie viel Unachtsamkeit in diesem Witzen drinsteckt, möchte ich mir nicht anmaßen zu urteilen. Viel Rassismus und gerade (post)koloniale Rassismen wie das beschrieben Affen-Beispiel sind so tief in europäischen und nordamerikanischen Gesellschaften verankert, dass das Problem vieler Menschen schlicht bei vollkommen unreflektierter Reproduktion, entweder aus Unwissen oder aus Unwillen, liegt.
Wo du eine clickbaitige Aufmachung siehst, kann ich leider nicht nachvollziehen. Ich gebe hier ein konkretes Beispiel, analysiere es auf seine Mechanismen hin und erkläre dann die Mechanismen losgelöst vom Spiel auf gesellschaftlicher Ebene, um diese dann wieder auf das Spiel rückzubeziehen. Sicherlich könnte man das gleiche für jedes der Beispiele in der Einleitung durchführen, das wäre jeweils ein eigener ausführlicher Artikel. Ich traue den Leser*innen aber auch zu, die allgemeinen, erklärten Mechanismen der Diskriminierung auf diese Beispiele und weitere anzuwenden, ohne dass es für jedes einzelne einen spezifischen Beitrag braucht 🙂
Ich bin mit dem Spiel gerade auch an die Stelle gekommen und war einfach schockiert was sich die Deponia Macher dabei gedacht haben. Ich habe den zweiten Teil nie gespielt und der erste ist etwas zu lange her aber ich war an einigen Stellen zuvor im dritten Teil etwas überrascht von dem “Humor” der sexistisch ist und teilweise mit nationalem Unterton daher kommt (z.b. der Irische-Türsteher). An sowas konnte ich mich an Teil 1 nicht mehr erinnern (Wobei es schon verwunderlich ist das genau die weibliche Person gerettet werden muss und rein “zufällig” Goal heißt …). Warum auf sowas von den Charakteren Bezug genommen wird obwohl es sich hier um eine Fantasywelt handelt beibt mir ein Rätsel. Vermutlich sind den Entwicklern die Ideen ausgegangen. Was schade ist, da an anderen Stellen, insbesondere wenn es um Rufus selber geht, das Spiel durchaus lustig sein kann. Leider zerstört der Rassismus und Sexismus in dem Spiel mir komplett die Freude daran. Ich werde das Spiel hier abbrechen und nicht weiter spielen.
Vielen Dank für den Artikel. Ich fand ihn sehr gut geschrieben. Auch sehr schön das du auf das punching up und punching down eingehst. Ein Konzept das meiner Meinung nach zuwenig Menschen verstanden haben und damit jede Art ihres Humor rechtfertigen.
Ganz ehrlich bis auf “It’s Always Sunny in Philadelphia” und “Community” fällt mir so gut wie nichts ein was schwarzen Humor auch nur ansatzweise “richtig” macht. In der deutschen Comedy sieht es richtig düster aus, besonders wenn Leute denken dass eine Anspielung an den eigenen Namen verbunden mit der Reichskristallnacht die Spitze des subversiven Humors ist. Deponia ist das ein Stück weiter und denkt mit lampshading wären die Witze auf einmal nicht mehr rassistisch oder sexistisch. “Guckt her die Jungfrau in Not heißt sogar Goal! Guckt her das Affenstereotyp ist so überzogen und veraltet, dass es keiner ernst nehmen kann!” Man könnte sagen, dass es im schwarzen Humor 4 Stufen bzw. Pointen gibt:
1. Es ist witzig, weil es schockierend ist. (Die Chris-Tall-Nacht)
2. Es ist witzig, weil es einen vermeintlich wahren Kern hat (Die meisten Judenwitze, alles was Juliensblog jemals fabriziert hat)
3. Es ist witzig, weil es Stereotype gibt und wir alle das eh nicht ernst nehmen oder ernst nehmen müssen. Da ist oft das lampshading dabei. (Dieses Beispiel aus Deponia, so gut wie jede sexistische Sitcomfigur wie Barney Stinson oder Howard Wollowitz, South Park)
4. Es ist witzig, weil es die Absurdität der Stereotype aufzeigt und uns den Spiegel vorhält (Die “The Implication”-Szene aus IASIP, viele Witze in Community)
Ich denke Rufus sollte eine Art moderner Don Quijote sein, wobei ich nicht glaube dass die Entwickler die Figur des Don Quijote verstanden haben. Entgegen vieler modernen Darstellungen ist Don Quijote nämlich kein tragischer Held, der seinen Traum leben will, sondern ein zutiefts narzisstischer Schurke, der durch seinen Größenwahn überall Chaos anrichtet und das Leben aller, die ihn treffen schlechter macht. Also wie Rufus nur, dass Rufus letztendlich immer Erfolg hat ein kaum negative Konsequenzen zu spüren bekommt. Im Gegenteil er ist letzendlich der Held, genau wie Barney Stinson oder Howard Wollowitz bekommt er trotz seiner Art am Ende was er will. Der Spieler soll sich mit Rufus indentifizieren und mitleiden.
Zwischen dem absolut schrecklichen Menschen Rufus und Goal, bei der man sich seitens der Entwickler nicht mal wirklich bemüht hat ihr eine Persönlichkeit zu geben (haha das war wohl der Witz), ist die einzig wirklich sympathische Figur Rufus Ex-Freundin Toni. Leider ist ihre einzige Funktion in der Geschichte unter Rufus zu leiden und seine Fehler ausbaden zu müssen. Das geht sogar so weit dass eine Rätselösung darin besteht sie dazu zu bringen Suizid begehen zu wollen.