Was ist ein Sparda – und wo liegt es?
Sparda! Ein Name, der mich seit den Anfängen meiner Zeit mit Videospielen verfolgt. Der Vater von Dante und Vergil aus Devil May Cry wird schon 2001 im allerersten Teil der Serie erwähnt. Später spielt er nicht nur eine immer wichtigere Rolle in der Hintergrundgeschichte der DMC-Spiele, er bleibt auch in Form eines Schwerts, das seinen Namen trägt, immer im Bild: Das Devil Sword Sparda kommt in jedem Teil außer dem zweiten (und dem westlichen Reboot DmC: Devil may Cry) vor.
Der Teufel trägt… ihr wisst schon
Doch was bedeutet Sparda überhaupt? Klar, gut möglich, dass es ein reiner Fantasiename ist. So symbolträchtig, wie die restlichen Namen der Teufelsfamilie in Devil May Cry sind, erscheint mir das aber sehr unwahrscheinlich: Dante, Protagonist von Dante Alighieris Commedia, Vergil, der Geist des römischen Dichters, der ihn durch das erste Buch der Commedia, Inferno, begleitet, und Eva, Mutter der Menschheit und Vertriebene aus dem Garten Eden, nehmen ganz klar Bezug auf biblische, zutiefst christliche Mythen. Nicht nur namentlich, auch konzeptuell, denn schließlich kämpfen sich Dante und Vergil durch diverse Höllenwesen (im dritten Teil sogar durch die 9 Höllenkreise, wie sie Alighieri in Inferno näher beschreibt) und Eva, die menschliche Mutter der beiden Halbdämonen, als Verkörperung der Menschlichkeit, die für beide Söhne je etwas ganz anderes bedeutet und ihr Handeln in unterschiedliche Richtungen motiviert. Da wird das vierte Familienmitglied, Sparda, wohl kaum im luftleeren Raum entworfen worden sein. Und das vorneweg: Nein, mit der Sparda-Bank, also der ehemaligen Eisenbahn-Spar- und Darlehenskasse hat das alles nichts zu tun.
Googelt man Sparda, so stößt man (neben besagter Bank und tausenden Devil May Cry-Meme-Bildchen) auch tatsächlich schnell auf biblische Texte: In der Offenbarung des Johannes, genauer in Obadja 1:20, wird die Stadt Sparda, in vielen Versionen auch als Sepharad bezeichnet, erwähnt.
Und die Vertriebenen dieses Heeres der Kinder Israel, so unter den Kanaanitern bis gen Zarpath sind, und die Vertriebenen der Stadt Jerusalem, die zu Sepharad sind, werden die Städte gegen Mittag besitzen. (Lutherbibel, 1912)
Sparda, in der wunderbaren persischen Keilschrift Cuneiform geschrieben ????, ist der altpersische Name der gleichnamigen Provinz des persischen Reiches. Sepharad ist der hebräische Name derselben Stadt, die im Zuge der Eroberung durch die Griechen zu Sardis wurde und heute als Teil der Türkei Sart heißt. Das persische Sparda und das hebräische Sepharad gehen beide auf die semitische Wurzel s_f_r zurück, aus der die hebräischen Worte sippur ‘schreiben’, sefer ‘Buch’ und saphar ‘Zahl, zählen’ gebildet werden (wie ihr vielleicht wisst, wenn ihr schon länger auf Language at Play lest oder einen Kurs in historischer Sprachwissenschaft besucht habt, entwickelt sich in vielen Sprachen der Laut /p/ oft zu /f/, weswegen die beiden austauschbar sein können). Sparda, Sepharad und später Sardis tragen Bedeutungen, die mit der Übersetzung des ‘Zählens’ zusammenhängen. Wie so oft bei sehr alten Worten sind sie nicht ganz eindeutig und können zudem auch noch metaphorisch interpretiert werden, was gerade aus theologischer Perspektive wichtig ist. Wir können vermuten, dass Sparda “Die Ausgezählten” bedeutet, im Sinne von “Die Ausgestoßenen” oder “Die Geflüchteten”. Stark verbildlicht wird diese Bedeutung auch personifiziert und als “Prinz des höchsten Gerichts” interpretiert, indem der Ausgezählte als Mensch von hohem Stande innerhalb einer Gruppe niedrigerer Ränge und die Kombination aus Zahlen und Büchern als Symbol für das Rechtswesen gesehen wird. All das lässt sich natürlich hervorragend auf die entsprechende Bibelpassage beziehen, spricht sie doch von den Geflüchteten aus Jerusalem nach Sepharad und im späteren Verlauf der Johannesoffenbarung vom jüngsten Gericht.
Und wo findet sich hierin Devil May Cry? Nun, zum einen ist Sparda wohl ziemlich sicher ein Ausgestoßener aus den Rängen der Dämonen, hat er doch eine menschliche Frau geheiratet und seinen König, Mundus, entmachtet. Zum Anderen ist auch der Prinz-Part nicht ganz verkehrt, denn als oberster General unter Mundus stand Sparda in der Thronfolge ganz oben, und mit seinem Verrat hat er nicht nur den König der Hölle besiegt, sondern auch die Welten der Menschen und Dämonen voneinander getrennt und versiegelt – für die blutdürstigen Dämonen wahrlich das Schlimmste, was ihnen passieren kann, und für die Menschen geradezu das Beste, die Antithese zum jüngsten Gericht. Im Verlauf der Devil May Cry-Serie hat diese Bedeutung nur an Gewicht gewonnen, schließlich wird Sparda in DMC4 zur Götterfigur eines Kultes, die ihn als Messias und Retter der Welt verehren – und deren machthungriger Klerus ein Monster in seinem Abbild dazu nutzen wollen, die Apokalypse einzuleiten.
Bis heute wissen Devil May Cry-Fans übrigens nicht, wie Sparda wirklich ausgesehen haben mag. Dantes unterschiedliche Devil Trigger-Formen, also sein dämonisches Ebenbild, werden häufig mit Spardas teuflischer Form in Verbindung gebracht. Und in Devil May Cry 3 und 4 existieren Kostüme sowohl für Dante als auch für Vergil, die die Farbschemata der beiden kombinieren – rot und blau zu violett – und sie mit Anzug, langem Brokatmantel und Monokel ausstatten: Klare Anspielungen auf den alten, noblen Dämonenfürsten, der alle Aspekte der Macht der beiden Brüder in sich vereint. Stay classy, Prinz des höchsten Gerichts.
Spairt, sparda, spert: Vom Gälischen ins Mittelenglische
Auch wenn das zugegeben eine ziemlich gute Stelle wäre, um den Artikel zu beenden, bin ich auf noch eine mögliche Herkunft des Namens Sparda gestoßen, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Schuld daran ist eine ganz andere Spielreihe, nämlich das japanische Action-Rollenspiel Ys. In Ys: Memories of Celceta existieren ‘Sparda’ genannte Wasserwesen, die von einem Stamm Flussbewohner domestiziert und geritten werden. Folgender Satz hat meine Aufmerksamkeit geweckt:
Those blades on their head, in fact, are the origin of the name ‘Sparda’, which is an old term for the edge of a sword.
In der Hintergrundgeschichte des Spiels stammt der Name Sparda also von einem alten Begriff für Schwert ab. Durchaus kein abwegiger Gedanke auch für Devil May Cry, fixiert sich die Serie doch stark auf den magischen und symbolischen Wert vieler der darin vorkommenden Schwerter, unter anderem des Sparda.
Mehrere etymologische Wörterbücher später finde ich: Nicht direkt ein Schwert, aber tatsächlich eine Waffe. Und dann auch noch eine mit einer sehr lustigen Namensherkunft. Im Gälischen (der Vorgängersprache von Irisch und Walisisch) bedeutet das Nomen spairt ‘Klumpen’ oder ‘(Blut-)Fleck’. Daraus wurde im Irischen ein transitives Verb, das die Produktion solcher Flecken beschreibt, also ‘versprenkeln’, ‘verspritzen’, ‘zermatschen’, ‘das Gehirn einschlagen’. Und von diesem Verb nahm schließlich eine Waffe, also der Produzent dieses Vorgangs, den Namen an: sparða ist Gälisch für ‘Stangenaxt’. Beim Übergang ins Mittelenglische wurde daraus spert – die Verwandschaft mit dem Namen einer gewissen Gattung von Klingenwaffe ist spätestens hier unübersehbar. Aber auch die Assoziation mit Stangenwaffen ist nicht ganz abwegig, wenn man sich das an eine Gleve angelehnte Design des Sparda-Schwertes ansieht, dass sich zudem in eine Sense transformieren lässt.
Ich könnte gar nicht sagen, welche Erklärung mir besser gefällt.
Ludographie
Devil May Cry-Serie. 2001-2019. Capcom. PS2/PS3/PS4/XBox 360/XBox One/PC.
Ys: Memories of Celceta. 2012. Nihon Falcom. PS Vita/PS4/PC.
Bibliographie
Luther, Martin. 1912. Lutherbibel. <https://bibeltext.com/obadiah/1-20.htm>
Pons, Mariona Vernet. 2014. The Origin of the Name Sepharad: A New Interpretation. In: Journal of Semitic Studies, LIX/1. Oxford University Press: Oxford. <https://www.academia.edu/7551321/The_origin_of_the_name_Sepharad_a_new_interpretation_2014>
Eine Antwort
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