[CfA] Das kalte Grauen? Horrorerleben in digitalen Spielen
Horror in seinen vielfältigen Formen und Wirkungsweisen finden wir in zahlreichen Computerspielen. Ob es sich um ein Survival-Horrorspiel, ein Adventure mit Gruselelementen oder ein Fantasy-oder Science-Fiction-Rollenspiel mit Monstern oder Aliens handelt – das Spiel mit dem Schrecken übt großen Reiz aus.
Beim Erkunden heruntergekommener Häuser, kalter Raumstationen und rostiger Zwischenwelten packt uns das Grauen schon, obwohl die Gefahr erst droht. Beim Anblick unnatürlich kriechender Kreaturen stellen sich unsere Nackenhaare auf, und qualvoll zuckende Krankenschwestern wecken trotz ihrer Gefährlichkeit auch Empathie. Tausende Ratten jagen uns genauso Angst ein wie undefinierbare Schatten im dunklen Wald.
Sich einerseits gewiss zu sein, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird, und dann doch noch davon überrascht zu werden – das ist die Lust, die wir an Spielen mit Horrorelementen haben können. Wir sind bis zum Zerreißen angespannt, während wir auf die nächste Bedrohung warten, und wir fühlen uns zutiefst erleichtert, wenn wir die Situation überlebt haben – nur um schon mit der nächsten Gefahr zu rechnen. Dieses Auf und Ab aus Anspannung und Entspannung, diese Erwartungslust, fasziniert und wirkt nach – selbst dann, wenn wir sie nicht aushalten und das Spiel darum abbrechen.
Neben der Lust an solchen Spielen empfinden wir aber, je nach Setting und Erzählung, auch andere Regungen, wie Ekel, Trauer, Mitgefühl, Betroffenheit und sogar Wut – etwa wenn der Horror des Alltags schlimmer ist als die offensichtlichen Monster, hinter denen sich dieser Alltag versteckt.
Auch distanzieren wir uns vom Erlebten mitunter, etwa durch Ironie oder Kritik. Das Erleben von Horror in digitalen Spielen kann sehr mannigfaltig sein.

Silent Hill 2 (2024). Quelle: Konami.
Ziel des Sammelbandes
Die vielfältigen Formen des Erlebens von Horror in digitalen Spielen sollen in den Beiträgen des geplanten Sammelbandes näher gefasst werden. Was ist das Spezifische dieses Erlebens, wie kann es identifiziert und von anderen Erlebnissen in digitalen Spielen und vom Horrorerleben in anderen Medien abgegrenzt werden?
Ausgangspunkt des Calls ist aufgrund der fachlichen Ausrichtung des Herausgebers zunächst eine rezeptionsästhetische Sicht. Doch auch produktionsästhetische Perspektiven sind möglich, insofern sie an das Erleben des Spiels durch Spieler*innen anknüpfbar sind. Mögliche Themen können bei spielsweise sein:
a) Untersuchungen zum Erleben von Horror in digitalen Spielen, beispielsweise zum Spüren ‚gruseliger‘ Situationen, ‚schrecklicher‘ Atmosphären, ‚unerträglicher‘ Spannung und weiterer Aspekte, die Spieler*innen während des Spielens am eigenen Leib erfahren
b) Analyse von Gestaltungs- und Inszenierungsformen, die das Entstehen von Horrorerlebnissen auf unterschiedliche Weise hervorrufen, beeinflussen oder verhindern, auch unter Berücksichtigung verschiedener Sub-Genres
c) Überlegungen zur Identifikation der Spieler*innen mit den Spielfiguren, zur Verarbeitung von Gewalterleben, sowie zur Relevanz der gespielten Situationen für die Spieler*innen auch über das Spiel hinaus
d) Herausarbeitung kultureller, gesellschaftlicher oder politischer Hintergründe, Verweise und Bezüge, die das Erleben von Horror in den jeweils betrachteten digitalen Spielen beeinflussen
e) Identifikation des Spezifischen des Horrorerlebens in digitalen Spielen im Vergleich zu anderen Medien wie Film und Literatur
f) Analysen spielbegleitender oder Anschlusskommunikation von Spieler*innen, zum Beispiel in Streams, Let’s Plays, Rezensionen, Diskussionsforen, Social Media, Fan Art, usw., insofern diese Kommunikation das Erleben von Horror im jeweiligen Spiel betrifft
g) In Zusammenhang mit (f) auch Nutzungsstudien qualitativer Art, etwa die Beobachtung von Nutzer*innen von Horrorspielen hinsichtlich struktureller (sichtbarer, hörbarer) Spuren, die auf das Erleben von ‚Horror‘ (oder das Ausbleiben diese Erlebens) hinweisen
Mögliche Fachgebiete sind u.a. Phänomenologie, Psychologie, Linguistik, Kommunikationswissenschaft, Human Computer Interaction, Game Design, Kommunikationssoziologie, Kulturwissenschaft und Literaturwissenschaft. Ausdrücklich sind auch Beiträge anderer Disziplinen und weitere Themenvorschläge willkommen.
Besonders ermutigt zur Teilnahme seien Nachwuchs-Wissenschaftler*innen und Studierende in der Abschlussphase. Der Prozess der Herausgabe des Sammelbandes soll idealerweise von Wertschätzung und Austausch geprägt sein, sodass alle Beteiligten voneinander lernen können. Aus dem Grund ist auch geplant, nach Abgabe der ersten Fassung der fertigen Beiträge einen Online-Workshop zur Vorstellung und Diskussion der Beiträge durchzuführen.

Crow Country, Quelle:
SFB Games.
Ablauf
Es werden Abstracts in einem Umfang von 300-500 Wörtern erbeten. Bitte fügen Sie eine Kurzbiographie und Ihre Kontaktinformationen bei. Einreichungsfrist ist der 30.06.2025. Eine Rückmeldung über die Annahme erfolgt bis zum 31.07.2025.
Fertige Beiträge sollen zwischen 25.000 und 35.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) umfassen. Die erste Version der fertigen Beiträge soll idealerweise bis zum 31.10.2025 vorliegen.
Angestrebt wird die Veröffentlichung des Bandes in gedruckter Form.

Mouthwashing. Quelle: Wrong Organ.
Herausgeber
Dr. Mario Donick
Pappelallee 15
39106 Magdeburg
ueberstrom.net/forschung
m.donick@outlook.de
@mariodonick.bsky.social
Wiebke Schwelgengräber
Der Herausgeber ist freiberuflicher Autor und Kommunikationsforscher. Bücher u.a. Let’s Play! Was wir aus Computerspielen über das Leben lernen können (2020); Nutzerverhalten verstehen – Softwarenutzen optimieren. Kommunikationsanalyse bei der Softwareentwicklung (2020). In letzter Zeit neophänomenologische Arbeiten zur Leibwahrnehmung bei der Nutzung digitaler Spiele.
Call zum Download als PDF von Überstrom.net: Horrorerleben in digitalen Spielen [PDF]