Wie Spieler*innen das Beste aus Nightreigns non-verbaler Kommunikation herausholen
Nightreigns eingeschränkte Kommunikation macht Spieler*innen kreativ: Christina Kutscher über Ping-Sequenzen, Gesten und Stick-Gewackel.
Elden Ring: Nightreign, ein Videospiel des japanischen Entwicklers FromSoftware, ist ein im Elden-Ring-Universum verortetes Battle-Royale-Action-Rollenspiel. Mit bis zu zwei Freunden oder Fremden landen Spielende auf einer Insel und töten dort Monster in Camps, Burgen und Ruinen. Damit erhalten sie Level und bessere Waffen, um jeweils am Ende der zwei Ingame-Tage, die in etwa 30 Minuten dauern, einen Endgegner zu besiegen. Dabei schließt sich in Etappen der Kreis, in dem es sicher ist. Überleben Spielende diese zwei Tage, steht ein noch herausfordernder Endgegner bevor – das eigentliche Ziel des Runs.

Schon im Anflug auf die Map ist Kommunikation durch Pingen wichtig, damit man nicht in unterschiedliche Richtungen davonrennt. Quelle: Bandai Namco.
Um das Maximum aus diesen zwei Tagen zu holen, muss man sich koordinieren. Es nützt wenig, sich aufzuteilen, alleine ist man schwach. Aber in Nightreign gibt es keinen Chat und schon gar keinen Voice Chat. Kommunikation findet also auf alternativen Wegen statt:
Springen, drehen, Waffe ziehen
Die Animationen der Charaktere beschränken sich eigentlich auf ihre einzigen Aufgaben: Kämpfen und Fortbewegung. Genau die werden für die Kommunikation untereinander zweckentfremdet. Ziehe ich ganz oft hintereinander meine Waffe, sodass mein Charakter mehr zuckt als dass er sich bewegt, signalisiert das Bereitschaft. Als Zeichen der Freude und Erleichterung nach einem besonders schwierigen Kampf springe ich oder drehe mich um mich selbst. Fängt eine*r an, machen die anderen schnell mit.
Die sonst ernsten Fantasy-Charaktere bekommen dadurch etwas Menschliches, wirken fast albern. Es wird deutlich, dass ein Mensch diese Figur bedient und sie sich zu eigen macht – der stolz ist auf den Erfolg und dessen Erleichterung sich durch das Drehen des Sticks Bahn bricht.
Ähnliches lässt sich beobachten, wenn Spielende die vom Spiel zur Verfügung gestellten Gesten nutzen, die auch in Elden Ring selbst zu finden sind. Mit einem Knopfdruck kann der Charakter sitzen, klatschen, sich verbeugen. Diese Gesten sind ein Stilmittel, das Immersion und Identifikation mit der eigenen Figur fördern kann, was gerade in Nightreign nochmal schwieriger ist, weil es hier nur limitierte Fashion und damit Personalisierungsmöglichkeiten gibt. Sitze ich im Schneidersitz vor der Tür zum Endgegner oder verbeuge ich mich nach der Partie vor meinen Mitspielenden oder winke ihnen zu, zeigt das, dass hinter der Figur eine Person ist, die Dank und Wertschätzung äußert. So zumindest eine Interpretation der Gesten. Dass Mitspielende die freudige Erwartung als Ungeduld auffassen, ist nicht auszuschließen, geschweige denn abschließend zu klären. Eben diese Willkür und Kontrolllosigkeit machen den Reiz der Kommunikation in Nightreign aus.
Es muss allerdings unterschieden werden: Zwischen generellen Gesten, die auch außerhalb der Spielwelt Sinn haben – winken, verbeugen, ausgestreckt auf dem Boden liegen – und in der Spielwelt von Nightreign dadurch hervorgehoben werden, dass sich Höflichkeiten oder Gefühle nicht anders ausdrücken lassen. Spezielle Gesten wie “Praise the Sun” in der Dark-Souls-Trilogie, “O Mother” oder “Erudition” in Elden Ring und Nightreign haben keine inhärente Bedeutung, sondern werden erst durch Vorkenntnisse anderer Spiele von FromSoftware verständlich. Sie sind Gesten in Anlehnung an Charaktere oder Ereignisse dieser anderen Spiele und dienen deshalb als Identifikation als Fan – was im Sinne des Teambuildings auch in Nightreign kommuniziert werden will: “Sieh her, ich bin Teil der Community, ich weiß, was ich tue und bin ein*e würdige*r Mitspieler*in.”

In den Nightreign zu laufen und dort noch Ziele zu erfüllen, kann eine legitime Taktik sein, sollte aber durch Gesten mit dem Team abgeklärt werden. Quelle: Bandai Namco.
Karten-Klickerei
Nicht nur Gefühle, sondern auch Pläne können in Nightreign ohne Worte vermittelt werden. Um sich auf der Insel zurechtzufinden und eine Route zu planen, gibt es eine Karte. Spielende können dort Orte markieren und damit zeigen, dass sie dorthin wollen. Andere können diesen Marker bestätigen. Oft finden hier demokratische Prozesse statt, wenn zwei Personen zwei unterschiedliche Orte markiert haben und die dritte Person mit ihrer Stimme entscheidet, welcher davon es wird. Nicht immer, aber häufig beugen sich Spielende der Wahl und gehen gemeinsam dorthin, wo die Mehrheit hin möchte.
Weil es aber mindestens genauso wichtig ist, schon den zweiten, dritten, vierten Ort ins Visier zu nehmen, markieren Spielende Orte in der Reihenfolge, die sie vorschlagen wollen. Um das zu verstehen, müssen die anderen allerdings gerade auf die Karte gucken, ansonsten verpufft das dazugehörige Audiosignal als potenzielle Drohung. Denn wer innerhalb weniger Sekunden den gleichen Ort mehrfach markiert, signalisiert Ungeduld: “Kommt ran hier, ich hab’s eilig und einen Plan, wo es lang geht.”
Etabliert haben sich diese Kommunikationsmittel über Kontext. Sie sind für alle verständlich, unabhängig von existierenden Sprachen, weil sie auf Emotionen und Bewegungen basieren. Nightreign ist nicht das einzige Spiel, in dem Spielende Wege gefunden haben, mit limitierten Möglichkeiten zu kommunizieren. Viele Gesten werden spielübergreifend verstanden, wie beispielsweise Teabagging. Ursprünglich eine sexuelle Praxis, signalisiert wiederholtes Hocken im Spiel über dem Gesicht eines besiegten Gegners Hohn oder Häme.
Die eingeschränkten Kommunikationskanäle in Nightreign haben den zusätzlichen Effekt, dass, wenn Kommunikation über die genannten Wege stattfindet, sie fast immer als positiv interpretiert werden kann. Es gibt schlicht keinen Weg, Hassbotschaften im Spiel zu senden – dafür müssen Spielende nach einer Runde auf das Profil ihrer Mitspieler*innen zugreifen und über die jeweilige Plattform eine Nachricht senden. Und das setzt, wenn auch geringen, aber immerhin spürbaren Aufwand voraus.
Die vermeintlich richtige Anwendung dieser Kommunikationswege ist immer wieder Debatte in entsprechenden Foren. Obwohl man meinen könnte, dass Gesten allgemeingültig sind oder gerade ihre unbedarfte Anwendung neue Aussagen ermöglicht, hat sich auch hier eine Art Etikette entwickelt. Auf den Ausgang der Partie hat dieser Diskurs nur marginal Einfluss. Vielmehr ist es das Gemeinschaftsgefühl, das hier untermauert wird und damit sowohl plattform- als auch spielübergreifend zum Erfolg des Spiels beiträgt.

Ausrüstung aus Kisten und von Bossen wird geteilt, wer ein bestimmtes Stück haben will, kann es einfach nehmen oder es per Ping markieren. Quelle: Bandai Namco.
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