CfA: „I used to be an adventurer like you …“ Interdisziplinäre Perspektiven auf The Elder Scrolls
Als 2011 The Elder Scrolls V: Skyrim erschien und schnell zu einem der größten Namen in der Spieleszene der 2010er Jahre wurde, war die Elder-Scrolls-Reihe bereits so alt, wie sicher einige der Spielenden, die in diesem Fantasy-Spiel hunderte oder sogar tausende Stunden durch erhabene Berglandschaften und verfallene Grabstätten wanderten, Untote oder gewaltige Drachen besiegten und sich in Machtkämpfe zwischen diversen politischen und religiösen Parteien verwickeln ließen (vgl. Piero & Ouellette 2021). The Elder Scrolls: Arena, der erste Teil der Reihe, war 1994 erschienen und hatte wie siebzehn Jahre später Skyrim die Vorstellungen von und Ansprüche daran umgekrempelt, wie immersiv, umfassend und schlichtweg groß eine digitale Spielwelt sein konnte. Als eines der ersten Spiele führte Arena zum Beispiel einen Tag- und Nachtzyklus mit konkreten Auswirkungen ein, und wie im Nachfolger Daggerfall (1996) wurden Teile der Spielwelt mittels Algorithmus erzeugt, um Spielenden das Gefühl endloser Weiten und unzählige Kerker und Dörfer zum Erkunden zu bieten (vgl. Martin 2011).
Ab Daggerfall sind Elder-Scrolls-Spiele paradigmatische Open-World-Games, die um zentrale Storylines mit komplexer Hintergrundgeschichte aufgebaut sind, den Spielenden aber überlassen, auf welche Weise und mit welchen eigenen Interessen sie spielen (vgl. Bjørkelo 2020). Todd Howard, seit 1994 beim Elder-Scrolls-Studio Bethesda angestellt, beschrieb diesen Anspruch in einem Interview zu Skyrims nachhaltigem Erfolg: “I’m a believer that players are good self-directors, and I think one thing that’s good about video games is they can direct their own experience.” (Peckham 2016) In den letzten drei Teilen – Morrowind, Oblivion und Skyrim – weitet sich diese spielerische Freiheit auch auf die Software selbst aus: Mit selbst entwickelten ‚Mods‘ können Spielende direkt in die Gestaltung oder die Mechaniken der Spielwelt eingreifen, und diese Erweiterungen auch anderen Spielenden zur Verfügung stellen.
Die Offenheit der Elder-Scrolls-Spiele für sehr unterschiedliche Spielerfahrungen hat zuletzt Skyrim zu einem immens erfolgreichen Produkt gemacht, das für jede neue Konsolengeneration neu aufgelegt (zuletzt 2021 für PlayStation 5 und Xbox X/S) wird und – Stand 2023 – über 60 Millionen Mal verkauft wurde. Die Modding-Szene kann hier als eigene Subkultur verstanden werden, während Motive aus den Spielen weiterhin als Internet-Memes kursieren. Neben den fünf zentralen Teilen veröffentlichte Bethesda (unter anderem auch für Fallout und Starfield verantwortlich) mehrere Ableger, inklusive des seit 2014 erhältlichen Massive-Multiplayer-Spiels The Elder Scrolls Online, dessen neuste Erweiterung Gold Road im Sommer 2024 erschien.
Call for Abstracts
Mit seiner mittlerweile 30-jährigen Geschichte bietet The Elder Scrolls zahlreiche Ansatzpunkte für geistes-, sozial und technikwissenschaftliche Analysen. Der geplante, erste deutschsprachige Band soll die Reihe in ihren unterschiedlichen ludischen, erzählerischen, ästhetischen, spielmechanischen, soziokulturellen und ökonomischen Aspekten untersuchen, wofür die Herausgeber zur Einreichung von Abstracts einladen. Die Themenbereiche können umfassen, sind aber nicht beschränkt auf:
- Das Open-World-Paradigma und die Freiheit der Spielenden im Umgang mit Spielmechaniken und erzählerischen Inhalten, moralischen und politischen Entscheidungen; die Selbstidentifikation als Protagonist*in oder Antagonist*in
- Worldbuilding und Lore – die Vermittlung fiktiver Geschichte durch intradiegetische Information in Dialogen oder in-game-Literatur, environmental Storytelling, Paratexte und Fankulturen
- Fantastik und Fiktionalisierung – stereotype und innovative Genremotive, kritische und reaktionäre Verweise auf historische Vorbilder wie ‚nordische‘, ‚keltische‘ oder ‚römische‘ Kulturen; Völker, politische Gruppen und ‚Rassen‘ sowie Geschlechter- und Klassenverhältnisse
- Modding als Ergänzung, Hack, Optimierung und Aneignung, inklusive der Verbreitungsmechanismen von Mods; Analyse der spielmechanischen und ästhetischen Affordanzen der jeweiligen Engine
- TES-Spiele als Sandbox-Games und Life-Sims, mit möglichen Schwerpunkten auf spielerische Praktiken des Haushaltens, dekorativer Einrichtung oder des Handwerks
- Spielen als touristische Erfahrung – individuelle Erkundung der Spielwelt und deren Dokumentation und Weitervermittlung in Guides, In-Game-Fotografie usw.; ästhetische Analyse ‚erhabener‘ oder ‚unendlicher‘ Spielwelten
- Memefizierung – Soziokulturelle, politische und ästhetische Einordnung spezifischer Memes („I used to be an adventurer like you …“, „Khajit has wares …“, der ‚Adoring Fan‘ in Oblivion, etc.), Diskussion ihrer Reichweite über die Gaming-Szene hinaus
- NPCs und parasoziale Beziehungen einschließlich Diskussion von Geschlechterverhältnissen, sexualisierten Mods und Fanfiction
- TES und Skyrim als Marken einschließlich der (Wieder-)Veröffentlichungsgeschichte und Plattformstrategien
- Innovationen und Verwandtschaften innerhalb des RPG-Genres auf technischer, spielmechanischer und erzählerischer Ebene, genealogisch und zum Beispiel im Bezug zu anderen Bethesda-Spielen (Fallout 3, Starfield) oder Pen-and-Paper-RPGs
Richtlinien für Einreichungen:
- Abstracts von 200 bis 300 Wörtern im APA-7-Zitationsstil (hier: Vorlage der Universität Mainz) einreichen. Wir erbitten darin die Angabe einer Forschungsfrage, eine ungefähre Darlegung der Methodik und einen Ausblick auf zu erwartende Ergebnisse.
- Wir bitten im Sinne gendersensibler Sprache um die Nutzung des „Gender-Sternchens” (Autor*innen, Spieler*innen etc.)
- Bitte fügen Sie dem Abstract eine Kurzbiografie (ohne Publikationsliste; max. 100 Wörter) der Autor*innen inklusive institutioneller Zugehörigkeit (sofern gegeben) bei.
Wichtige Termine:
- Einreichungsfrist für Abstracts: 31. Januar 2025
- Benachrichtigung über Annahme: Februar 2025
- Einreichung der vollständigen Beiträge: 1. Mai 2025
- Voraussichtliches Erscheinungsdatum des geplanten Sammelbands: Q1/Q2 2026
Alle Abstracts und (nachfolgende) Beiträge sollen an beide Herausgeber jacob.birken@gmail.com und rudolf.inderst@googlemail.com gesendet werden.
Bitte teilen Sie diesen Call auch gerne in geeigneten Netzwerken.
PDF des Calls zum Download und zur Weiterverbreitung: Hier herunterladen
Informationen zu den Herausgebern
Jacob Birken (Dr.) ist Kultur- und Medienhistoriker. Nach einem Studium an der HfG Karlsruhe arbeitete er an unterschiedlichen Kulturinstitutionen und Hochschulen, darunter dem ZKM Karlsruhe und den Universitäten Heidelberg und Kassel. 2018 promovierte er zu Bildern des Erdbebens in San Francisco 1906. Zu seinen Schwerpunkten gehören die politische Kultur der USA im ‚langen‘ 19ten Jahrhundert und die Geschichte digitaler Bildmedien; aktuell ist er Post-Doc in der Abteilung für Nordamerikanische Geschichte der Universität zu Köln. 2022 veröffentlichte er in der Reihe Digitale Bildkulturen des Wagenbach Verlags den Band Videospiele, 2023 den Langessay Vom Pixelrealismus zu einer Kunst- und Kulturgeschichte der fotorealistischen 3D-Grafik.
Rudolf Thomas Inderst (Dr. Dr.) hat sein M.A.-Studium der Politikwissenschaft, Neueren Geschichte und Amerikanischen Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der University of Copenhagen absolviert und anschließend zweifach im Bereich der Digitalspielforschung promoviert (LMU München und Universität Passau). Er ist Professor für Gamedesign an der IU Internationale Hochschule. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf den Gebieten Digital Game Studies, Digitalspieljournalismus sowie Digitalspielpolitologie. Des Weiteren ist er Leiter des Ressorts Digitalspielkultur beim TITEL kulturmagazin, Moderator der Radiosendung Replay Value zum Thema Digitalspielkultur bei LORA München, Herausgeber des wöchentlichen Newsletters DiGRA D-A-CH Game Studies Watchlist sowie Gründer und Gastgeber des internationalen Podcasts Game Studies der Audioplattform New Book Networks. Seine letzte Publikation ist der Game-Studies-Sammelband Old World Blues. ›Fallout‹ und das Spiel mit der Postapokalypse (zusammen mit Arno Görgen) im Büchner-Verlag.
Quellen
Bjørkelo, K. A. (2020). “Elves are Jews with Pointy Ears and Gay Magic”: White nationalist readings of The Elder Scrolls V: Skyrim. Game Studies, 20(3).
Martin, P. (2011). The pastoral and the sublime in Elder Scrolls IV: Oblivion. Game Studies, 11(3).
Peckham, M. (2016). ‘The Elder Scrolls: Skyrim’ Director Reflects On Roleplaying Epic’s Hits and Misses. TIME Magazine, 28. October 2016.
Piero, M., & Ouellette, M. A. (Eds.). (2021). Being Dragonborn: Critical essays on The Elder Scrolls V: Skyrim. McFarland.
Ausgewählte Ludographie
Hauptreihe
– Bethesda Game Studios. (1994). The Elder Scrolls: Arena [PC]. Bethesda Softworks.
– Bethesda Game Studios. (1996). The Elder Scrolls II: Daggerfall [PC]. Bethesda Softworks.
– Bethesda Game Studios. (2002). The Elder Scrolls III: Morrowind [PC, Xbox]. Bethesda Softworks.
– Bethesda Game Studios. (2006). The Elder Scrolls IV: Oblivion [PC, Xbox 360, PlayStation 3]. Bethesda Softworks.
– Bethesda Game Studios. (2011). *The Elder Scrolls V: Skyrim [PC, PlayStation, Xbox]. Bethesda Softworks.
Spin-offs und Erweiterungen
– Bethesda Softworks. (1997). An Elder Scrolls Legend: Battlespire [PC]. Bethesda Softworks.
– Bethesda Softworks. (1998). The Elder Scrolls Adventures: Redguard [PC]. Bethesda Softworks.
– Vir2L Studios. (2003). The Elder Scrolls Travels: Stormhold [Mobile]. Bethesda Softworks.
– Vir2L Studios. (2004). The Elder Scrolls Travels: Dawnstar [Mobile]. Bethesda Softworks.
– Vir2L Studios. (2004). The Elder Scrolls Travels: Shadowkey [N-Gage]. Bethesda Softworks.
– Vir2L Studios. (2006). The Elder Scrolls Travels: Oblivion [Mobile]. Bethesda Softworks.
Multiplayer, VR und Mobile-Titel
– ZeniMax Online Studios. (2014). The Elder Scrolls Online [PC, PlayStation, Xbox]. Bethesda Softworks.
– Dire Wolf Digital. (2017). The Elder Scrolls: Legends [PC, Mobile]. Bethesda Softworks.
– Bethesda Game Studios. (2017). The Elder Scrolls V: Skyrim VR [PC, PlayStation VR]. Bethesda Softworks.
– Bethesda Game Studios. (2020). The Elder Scrolls: Blades [Mobile, Nintendo Switch]. Bethesda Softworks.
Board / Tabletop Games
– Modiphius Entertainment (2019). The Elder Scrolls: Call to Arms.
– Modiphius Entertainment (2022). The Elder Scrolls V: Skyrim – The Adventure Game.
Ausgewählte Videospielanalysen
– Like Stories of Old. (2021, April 30). A Psychological Understanding of Why You Keep Returning To Skyrim [Video]. YouTube. A Psychological Understanding of Why You Keep Returning To Skyrim
– Any Austin. (2024, Mai 2024). Where Do Skyrim’s River Come From? [Video]. YouTube. Where Do Skyrim’s Rivers Come From?
Eine Antwort
[…] Abstract geteilt, die die deutschsprachigen Game Studies in den nächsten Jahren bereichern werden (einer davon ist zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch sehr aktuell). Dazu haben wir wie gewohnt an […]